Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
Vom Netzwerk:
die Wahrheit sagt.«
    Damit erzielte sie Eindruck bei Jacob Lubbe und den anderen Männern, die von Cronen zu der Hinrichtungsstätte begleitet hatten. Noch einmal versuchte der Richter, seinen Plan zu vollenden. Die anderen Ratsherren ließen es nicht zu. Sie forderten Hans auf, zu ihnen zu kommen, und befragten ihn. Scheu und schüchtern, oft verzweifelt nach den richtigen Worten suchend, schilderte er, was in jener Nacht auf dem Hof des Ritters geschehen war. Er war ein einfacher Mann, der noch nie vor so vielen Zuhörern gestanden hatte, doch es war gerade die Art seines Auftretens, die ihn glaubhaft machte. Am Ende ließ Lubbe ihn schwören. Er rief Gott als Zeugen an und drohte dem Knecht die ewigen Qualen der Hölle an, falls er die Unwahrheit sagen sollte. Hans blieb bei seiner Aussage.
    »Nehmt Hinrik vom Diek die Ketten ab«, befahl Jacob Lubbe danach. »Er ist frei.«
    »Nein«, protestierte Wilham von Cronen. »Damit bin ich nicht einverstanden. Ich verlange eine Gerichtsverhandlung. Der Fall muss neu aufgerollt werden.«
    Seine Worte verhallten wirkungslos. Er konnte sich nicht durchsetzen. Die anderen Ratsherren überstimmten |276| ihn. Jeder von ihnen hatte bestimmte Aufgaben in der Stadt zu erfüllen, und dabei versuchte jeder nach bestem Wissen und Gewissen seiner Verantwortung gerecht zu werden. Es gehörte zu den Gepflogenheiten der Stadt, dass einer dem anderen nicht in den Rücken fiel. Wilham von Cronen war für das Rechtswesen zuständig, und die anderen waren als Zeugen dabei. Dass sie sich in diesem Fall einmischten, war ungewöhnlich, jedoch durch die Tatsache gerechtfertigt, dass Hinrik vom Diek offensichtlich unschuldig war. Als Vertreter des Volkes wollten und konnten sie Unrecht nicht dulden.
    Die Wachleute nahmen Hinrik die Ketten ab und traten von ihm zurück als Zeichen dafür, dass er frei war. Weit davon entfernt, wirklich zu begreifen, was geschehen war, blickte er Greetje an. Und dann fielen sie sich in die Arme, um sich aneinander festzuhalten.
    »Oh mein Gott«, stammelte die junge Frau immer wieder. »Ich hatte solche Angst um dich.«
    Der Henker trat nah an sie heran. »Wir beiden sehen uns wieder, vom Diek! Hier auf dem Schafott. Jede Wette. Und dann gehört dein Kopf mir.«
    »Verschwinde endlich, du Mistkerl«, fuhr Greetje ihn an.
    »Ja, das solltest du tun, Thore Hansen«, fügte Hinrik hinzu. »Geh endlich.«
    »Immer mit der Ruhe«, antwortete der Däne, der seine Kapuze nach wie vor auf dem Kopf behielt. »Erst muss ich die Schädel der Gerichteten auf die Pfähle nageln. So wie ich irgendwann deinen Schädel dort anbringen werde, damit alle einfahrenden und auslaufenden Seeleute dich sehen können.«
    »Thore Hansen?«, hauchte Greetje. Auch sie hatte das grüne und das graue Auge entdeckt. Bleich klammerte sie sich an Hinrik. »Oh mein Gott, mir wird schlecht.«
    |277| Unwillig zerstreute sich die Menge, die um einen Teil ihres Vergnügens gebracht worden war. Hinrik umarmte Hans und dankte ihm dafür, dass er ihn gerettet hatte. Wachmänner stiegen auf den Karren, während sich die Ratsherrn abwandten, um nach Hamburg zurückzukehren. Sie stiegen auf ihre Pferde und ritten davon. Lediglich Wilham von Cronen zögerte.
    Erst jetzt wurde Hinrik bewusst, wie nah sie am Ufer der Elbe waren. Nicht weit von ihnen entfernt mündete die Alster in den Strom. Er legte seine Arme um Greetje und Hans. »Lasst uns gehen«, sagte er.
    »Wartet!«, befahl von Cronen.
    Hinrik blieb stehen. Kühl blickte er den Richter an. »Was wollt Ihr?«
    »Ihr werdet Hamburg verlassen und Euch nie wieder hier blicken lassen«, forderte der Ratsherr.
    »Dafür gibt es keinen Grund«, widersprach Greetje. »Hinrik ist unschuldig. Er kann sich aufhalten, wo immer er will. Ihr habt kein Recht, ihn zu vertreiben.«
    Der Ritter half ihr auf den Rücken des Pferdes, nahm es am Zügel und führte es. Hans ging neben ihm her, und endlich löste sich die Spannung. Greetje begann haltlos zu weinen. Sie blieb nicht auf dem Pferd sitzen, sondern schwang sich herab, und Hinrik legte den Arm um sie. Hans nahm die Zügel und ließ die beiden für eine Weile allein. Sie setzten sich an das Ufer des Stroms, hielten einander fest umschlungen und sprachen leise miteinander. Hans blieb in einiger Entfernung stehen und wartete geduldig, bis sie alles besprochen hatten, was ihnen wichtig war.
    Als sie aufstanden und zu ihm kamen, fiel ihm Greetje um den Hals. »Wir werden heiraten, Hans«, rief sie mit einem

Weitere Kostenlose Bücher