Der Blutrichter
abzuschneiden. Man sollte dir was vom Lohn abziehen, weil du es leichter bei mir hast.«
Ein Raunen ging durch die Menge, die solche Worte offensichtlich bisher noch von niemandem gehört hatte, der auf den Tod durch das Schwert wartete.
Der Henker hob das Schwert. Es fuhr herunter und traf den Nacken Berents. Der Henker wischte das Blut ab und rieb das Metall, bis es wieder in der Sonne blitzte. Zufrieden mit dem Resultat seiner Bemühungen wandte er sich dem Richter zu, um ihm mit dieser Geste zu bedeuten, dass er bereit war, sein Werk fortzusetzen.
|273| Wilham von Cronen erhob sich erneut.
»Hinrik vom Diek zu Heiligenstätten – Ihr seid verurteilt wegen schwerer Verbrechen. Das Gericht hat Euch für schuldig befunden, zwei Männer getötet zu haben, nachdem Ihr Euren eigenen Hof angezündet habt. Ihr werdet durch das Schwert sterben. Henker, walte deines Amtes!«
Die Wachen zogen Hinrik drei Schritte weiter bis in die Mitte des Kreises, wo sich eine Blutlache gebildet hatte. Sie stellten ihn mitten in das Blut hinein.
Hinrik blickte zu von Cronen hinauf. Der Ratsherr verzog die Lippen zu einem triumphierenden Lächeln. Er hatte seine Drohung wahr gemacht und endgültig gewonnen. Es war vorbei.
Der Henker strich mit einem Schleifstein über das Schwert. Er ließ sich mehr Zeit bei ihm als bei Schalck und Berent zuvor. Als er sich vorbeugte, fiel das Sonnenlicht auf seine Augen. Das linke Auge war grün, das rechte grau.
»Was ist dir lieber, vom Diek? Ein stumpfes Schwert, mit dem ich ein paarmal zuschlagen muss, oder ein scharfes, das durch deinen Hals fährt wie durch Butter?«, fragte er so leise, dass nur Hinrik ihn verstehen konnte.
»Fahr zur Hölle!«, antwortete Hinrik. Und dann erkannte er den Henker. »Thore Hansen, mein Gott, du bist es!«
»Nun gehört Greetje mir«, zischte der Henker. »Es ist mir ein Vergnügen, dir den Kopf abzuschlagen, Ritter!«
Er hob das Schwert.
In diesem Augenblick entstand unter den Zuschauern Unruhe. Ein Pferd galoppierte heran, und eine Frau schrie aus vollem Halse: »Halt! Haltet ein!«
Das Schwert fuhr blitzend herab. Es krachte dumpf, als es aufschlug.
|274| »Nein, nein!« Mit brachialer Gewalt ritt Greetje in die Menschenmenge hinein. In Panik sprangen die Gaffer zur Seite, um nicht von dem gewaltigen Ross niedergetrampelt zu werden. Hinter der jungen Frau saß Hans. Der Knecht klammerte sich an sie, um nicht herunterzufallen. »Ihr dürft keinen Unschuldigen töten!«
Sie erreichte die Palisade und blickte entsetzt auf die Hinrichtungsstätte, auf der das Blut der Getöteten hellrot im Licht der Sonne glänzte.
Noch einmal hob der Henker das Schwert. Hinrik vom Diek hatte die Stimme Greetjes gehört. Gedankenschnell hatte er sich zur Seite fallen lassen, so dass die Klinge ihn knapp verfehlt hatte und in den Boden geschlagen war. Nun aber wollte der Mann mit der schwarzen Kapuze sein Werk vollenden.
»Halt!«, befahl Jacob Lubbe, der bis dahin mit ausdruckslosem Gesicht neben Wilham von Cronen gesessen hatte. Er war ebenfalls Ratsherr und Richter. »Warte, Henker! Wir wollen die Jungfrau hören, die es wagt, uns aufzuhalten.«
Greetje glitt vom Rücken des Pferdes. Sie hob die rechte Hand.
»Ich schwöre, ihr Herren, dass Hinrik vom Diek unschuldig ist. Dafür habe ich einen Zeugen. Hinrik wird beschuldigt, zwei Männer in den Flammen seines Hauses umgebracht zu haben. Aber das ist nicht wahr. Richtig ist vielmehr, dass diese Männer das Haus erstens durch Unachtsamkeit selbst angezündet haben und dass Ritter Hinrik vom Diek zweitens unter Einsatz seines eigenen Lebens versucht hat, sie zu retten.« Mit ausgestrecktem Arm zeigte sie auf Hans, der nun abstieg und voller Scheu neben sie trat. »Das ist Hans. Er hat als Knecht auf dem Hof des Ritters gearbeitet.«
Wilham von Cronen lachte verächtlich.
|275| »Ein Knecht, der noch dazu für Hinrik vom Diek gearbeitet hat! Das ist lächerlich. Der Mann lügt, dass sich die Balken biegen, weil er dafür bezahlt wird.«
Unter den Zuschauern wurde es laut. Die meisten Gaffer ergriffen sofort die Partei von Cronens. Sie wollten Blut sehen. Sie wollten das schreckliche Schauspiel bis zu seinem Ende verfolgen, und solange der Kopf des Ritters nicht gefallen war, war ihre Schaulust nicht befriedigt.
Unerschrocken entrollte Greetje ein Pergament.
»Das ist ein Schriftstück, in dem das Kloster zu Itzehoe dem Knecht Hans den besten Leumund ausstellt. Er hat Gott als Zeugen dafür beschworen, dass er
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