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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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dem Tode Birgers geschehen wäre.
    Als sie wenig später aufstand, um hinter dem Sarg her zum Grab zu gehen, entdeckte sie Bene unter den Trauergästen. Ihre Blicke begegneten sich, und ihr Innerstes verkrampfte sich. Nie zuvor war ihr so viel Hass entgegengeschlagen. Bene war kreidebleich. Sie hatte sich in ihrer Enttäuschung die Lippen blutig gebissen. Mit einem Schlag waren ihre Hoffnungen zerstoben, zu einem gewissen Wohlstand zu kommen. Mittlerweile hatte Greetje erfahren, dass Birger über beachtliche Mittel verfügte. Marie und Julia wussten über alles Bescheid.
    Angesichts der großen Zahl der Trauergäste, die zu erwarten |411| waren, hatte Greetje wahre Berge von Brot, Wurst, Schinken, Speck und Kuchen, sowie reichlich Bier und Wein besorgt. Tatsächlich fanden sich nach der Beerdigung Hunderte von Menschen zum Leichenschmaus ein, so dass sie und die beiden Helferinnen, die sie für diesen Tag beschäftigte, alle Hände voll zu tun hatten. Auch Bene erschien. Mit trotzig aufgeworfenen Lippen ließ sie sich Kuchen und Wein reichen, bedachte Greetje erneut mit hasserfüllten Blicken und zog dann von einem Grüppchen Frauen zum anderen, um sich in die Gespräche einzuschalten. Greetje wäre froh gewesen, Bene wäre gar nicht erschienen, denn sie zweifelte nicht daran, dass Bene alles tat, um ihr zu schaden und schlecht über sie zu reden. Tatsächlich kamen nach einiger Zeit drei Frauen zu Greetje, um ihr davon zu berichten. Sie erwähnten keine Einzelheiten, betonten aber, dass sie Bene kein einziges Wort glaubten und dass sie ihr voll vertrauten.
    »Wenn der Priester Euch eine Botschaft von Jordan Birger überbringt«, sagte eine von ihnen, »bin ich sicher, dass er die Wahrheit sagt. Und nur er!«
    Bene war unverschämt genug, am nächsten Tag zu kommen, um ihre Arbeit im Haus anzutreten, stieß bei Greetje jedoch auf eisernen Widerstand.
    »Gestern wäre es deine Pflicht gewesen, mir zu helfen«, sagte sie. »Du hast es nicht getan. Such dir eine andere Arbeit. In diesem Haus hast du nichts mehr verloren.«
    Es half dem Mädchen nichts, dass es zu klagen und zu weinen begann, dass es bettelte und flehte. Greetje war nicht umzustimmen. Sie wollte Bene nicht im Haus haben, weil die Gefahr viel zu groß war, dass sie Julia und Marie entdeckte. Um sie loszuwerden, drückte sie ihr einige Münzen in die Hand, damit sie die nächsten Wochen bis zum Einzug des Frühlings überstehen konnte, und wies sie aus dem Haus.
    |412| »Das wirst du mir büßen«, schwor Bene, während sie hinausging. »Hexe! Erbschleicherin!«
    »Das ist also der Dank dafür, dass ich dir Geld gegeben habe, obwohl du nicht dafür gearbeitet hast. Nun, jetzt weiß ich endgültig, dass ich dich nie mehr beschäftigen werde.«
    »Ich wünsche dir die Pest an den Hals«, zischte Bene.
    »Ich habe es vernommen.« Greetje blieb ruhig und gelassen. »Für den Fall, dass sich bei mir eine Krankheit einstellen sollte, werde ich den Priester darüber informieren, dass ich es dir und deinem Fluch zu verdanken habe. Es wird ihn sehr interessieren, dass du seltsame Fähigkeiten hast. Warum nimmst du nicht deinen Besen und fliegst davon?«
    Bene war so erschrocken, dass sie bleich wurde. Sie hatte sich auf dünnes Eis begeben.
    »Nein, um Himmels willen!«, stammelte sie. »So war es nicht gemeint. So etwas darfst du dem Priester niemals sagen. Er könnte denken, dass ich ... dass ich . . .«
    ». .. dass du eine Hexe bist?«
    Bene flüchtete auf die Gasse hinaus und ließ sich nicht mehr blicken. Erst fünf Wochen später sah Greetje sie wieder. Der Westwind brachte in dieser ersten Märzwoche warme Luft nach Norden. Nach den langen, kalten Wintermonaten drängte es die Menschen hinaus auf die Straßen und die Plätze. Im Hafen machte eine Kogge voll mit Heringsfässern fest, und über Land zogen die ersten Händler heran. Die Stadt blühte auf, und es schien, als vertrieben die Sonnenstrahlen alles Düstere aus den Seelen der Menschen.
    Greetje bummelte durch die Gassen und über die Plätze, um an den verschiedenen Ständen einzukaufen. Dabei begegnete sie immer wieder Patienten, und mit vielen tauschte sie ein paar freundliche Worte. Sie freute sich |413| über jeden, der nach ihrer Behandlung genesen war, und da sie kein einziges böses Wort vernommen hatte, näherte sie sich dem Arzthaus in heiterer Laune. Die aber verflog plötzlich und machte einer dumpfen Ahnung Platz, als sie aufgeregte Stimmen vernahm. Aus allen Gassen eilten Menschen

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