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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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und die Besatzung der »Möwe« winkten zurück.
    »Man holt uns ab«, sagte Störtebeker, während er die Schnigge sichern ließ, damit sie nicht von der Strömung abgetrieben werden konnte.
    |421| »Greetje macht sich Sorgen«, sagte Hinrik.
    Störtebeker lächelte.
    »Das braucht sie nicht«, erwiderte er. »Auf der Insel gibt es weit über zweitausend Männer und kaum eine Handvoll Frauen. Dennoch wird es niemand wagen, sie auch nur frech anzusehen.«
    Wenig später stiegen sie in ein kleines Boot. Der Wind frischte auf, dennoch verlief die Überfahrt ruhig. Greetje aber klammerte sich ängstlich an Hinrik. Sie erreichten sicher den Sandstrand unter den steil aufragenden roten Felsen und schritten wenig später durch ein Spalier von bärtigen, verwegen aussehenden Männern, die sie schweigend und voller Respekt musterten. Es mochte die hohe, kräftige Gestalt des Ritters und die schöne Frau an seiner Seite sein, die sie beeindruckte, maßgeblich aber war wohl, dass sie von Bord der »Möwe« kamen, jenes Schiffes, das unter dem Kommando Störtebekers stand und das mehr Beute auf Ost- und Nordsee gemacht hatte als jedes andere Kaperschiff.
    Mit einem zweiten Boot trafen Störtebeker und Gödeke Michels ein. Lachend und scherzend begrüßten sie eine Reihe von Männern. Man hatte sich offenbar schon lange nicht mehr gesehen, so dass es viel zu erzählen gab. Hinrik und Greetje warteten geduldig, bis Störtebeker Zeit für sie hatte und sie über eine steile, in die roten Klippen geschlagene Treppe zum Oberland hinaufführte. Er brachte sie zu einem rot gestrichenen Kapitänshaus, um Greetje bei einem freundlichen und bescheidenen Ehepaar einzuquartieren.
    Inga Grotjahn war eine umgängliche, liebenswürdige und außerordentlich fürsorgliche Frau, während ihr Mann Kort still und in sich gekehrt war. Er begrüßte Greetje und Hinrik, setzte sich dann jedoch auf eine Bank vor der Haustür und schnitzte schweigend an einem Stück Holz. |422| Er war ein weißhaariger, alter Mann mit einem krausen Bart und schlohweißen Augenbrauen, so mächtig, dass sie seine wasserblauen Augen beschatteten.
    Inga war etwas jünger als er, aber auch ihr Haar war weiß. Ansonsten war von ihrem Alter nicht viel zu spüren. Temperamentvoll führte sie ihre Gäste durch das Haus, das erstaunlich geräumig war.
    »Ihr habt Glück gehabt, dass Ihr bequem an Land gehen konntet. Das ist nicht immer so«, sagte sie, während sie die Fensterläden aufstieß, um den wundervollen Blick zu zeigen, den man vom Haus auf die Nordsee hatte. Auf der Fensterbank standen mehrere Figuren, die ihr Mann geschnitzt hatte. Es waren hauptsächlich Fischer, aber auch einige seltsam und fremd wirkende Figuren. Voller Stolz ließ Inga ihre Hände über die kleinen Kunstwerke gleiten.
    Greetje bewunderte eine geschnitzte Engelsfigur, größer als sie selbst, die in eine Seitenwand der Kapitänsstube eingelassen war. Aus fast schwarzem Holz gemacht, war sie voller Risse und Schründe, die sich vor allem an den Armen und an den Flügeln entlangzogen. Das Gesicht des Engels hatte einen so milden und freundlichen Ausdruck, dass Greetje sich beruhigte und entspannte.
    Mit einem Lächeln dankte sie dem Kapitän und seiner Frau, doch dann atmete sie auf, als sich die Tür zu ihrem Zimmer schloss und sie endlich allein mit Hinrik war. Sie sah ihn an, und er zog sie an sich, um sie lange und zärtlich zu küssen. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und schmiegte sich an ihn, als wollte sie ihn nie mehr loslassen.
    »Du hast mir so gefehlt«, flüsterte sie.
    »Ich liebe dich, Greetje«, gab er ebenso leise zurück. »Und ich werde dich immer lieben.«
    »Du darfst mich nie mehr allein lassen. Nie mehr!«
    »Einmal muss es noch sein«, bedauerte er. »Störtebeker
    |423| geht ein letztes Mal auf Kaperfahrt, und er will, dass ich dabei bin, um mit ihm zu kämpfen. Aber keine Sorge. Es wird nicht sonderlich gefährlich werden. Wir haben es nicht mit Rittern oder Landsknechten zu tun, sondern mit Seeleuten, die sich vor allem darauf verstehen, ein Schiff zu navigieren. Sie werden keinen Widerstand leisten, weil sie fürchten, dass es ihnen sonst an den Kragen geht.«
    Er schob sie sanft von sich und blickte ihr in die Augen.
    »Ich möchte nicht, dass du Angst hast, Greetje.«
    »Bleib bei mir«, flehte sie. »Wenigstens so lange, bis es auf Kaperfahrt geht.«
    »Ich wüsste nicht, was ich lieber täte!« Er küsste sie erneut, und seine Hände glitten sanft über ihren

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