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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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bringen. Ich kenne mich im Watt nicht aus, aber es müsste zu schaffen sein.«
    Störtebeker und sein Freund Michels überlegten. Sie hatten durch Sümpfe geführt und wussten sich auf hoher See zu orientieren. Durch das Watt aber waren sie nie gelaufen. Sie kannten seine Tücken und seine Unberechenbarkeit nicht. Vor allem wussten sie nicht, wie die Priele verliefen und welche von ihnen passierbar waren. Sie waren sich aber einig darin, dass die »Möwe« unter den gegebenen Umständen nicht mehr zu verteidigen war. Sie gaben den Befehl zum Aufbruch. Jetzt ging es um das nackte Überleben.
    »Nehmt eure Waffen mit«, rief Störtebeker seinen Männern zu. »Wenn sie uns angreifen, werden wir uns verteidigen.« Er nickte Hinrik zu. »Ihr habt Recht. Es ist einen Versuch wert.«
    Sie kletterten von Bord, sprangen auf den weichen, nachgiebigen Boden und liefen durch das Watt. Als Hinrik zurückblickte, sah er, dass die Koggen nicht näher kamen. Etwa eine halbe Meile hinter der »Möwe« verfehlten sie das tiefe Bett des Priels und verfingen sich in den Untiefen |490| wie zuvor die Schnigge. Noch aber gab es keine Anzeichen dafür, dass ihre Besatzungen die Schiffe ebenfalls verlassen würden, um ihnen zu folgen.
    Durch das Watt zu laufen erwies sich als mühsam und anstrengend. Oft genug sanken die Männer bis zu den Knien im Schlick ein. Mit einiger Erleichterung beobachtete Hinrik, dass es keine der Koggen schaffte, so weit in den Priel vorzudringen wie die »Möwe«. Keiner ihrer Kapitäne wurde mit den widrigen Umständen fertig, die durch Wind und das ablaufende Wasser gegeben waren, und erst jetzt begriff er, welch meisterliche Leistung Störtebeker und sein Steuermann Heiner Wolfen erbracht hatten. Sie war umso beachtlicher, als die Schnigge angeschlagen war und nur über ein provisorisches Ruder verfügte.
    Vor ihnen lag eine flache Sandbank. Erst als sie direkt vor dem Priel dahinter standen, erkannten sie, dass dieser ein unüberwindliches Hindernis für sie darstellte. Hinrik, der als Einziger schwimmen konnte, ging einige Schritte ins Wasser hinein. Die abfallenden Kanten waren steil, und schon bald wurde die Strömung so stark, dass er umkehren musste, weil er sonst ins Meer hinaus geschwemmt worden wäre.
    »Da kommen wir nicht durch«, teilte er Störtebeker mit.
    Sie saßen in der Falle. Der Priel zog sich einige Meilen weit hin. Sie konnten an ihm entlanglaufen, bis er irgendwann so seicht wurde, dass sie ihn durchschreiten konnten. Doch mittlerweile hatten die Besatzungen der Koggen ihre Schiffe verlassen. In breiter Front rückten sie heran und versperrten ihnen den Rückweg. Es waren Hunderte bis an die Zähne bewaffneter Männer.
    Hinriks Hand schloss sich fester um den Griff des kostbaren Schwertes, das er von Störtebeker erhalten hatte. Nichts führte mehr an einem Kampf vorbei.
    |491| Störtebeker trieb seine Freibeuter an. »Wir nehmen es mit ihnen auf«, rief er. »Wir sind hundertdreiundfünfzig Kämpfer. Wir zeigen es diesen Pfeffersäcken. Sie sind in der Überzahl, aber wir sind die besseren Kämpfer. Gottes Freunde und aller Welt Feind! Wir treiben sie zurück, bis wir eine der Koggen entern können. Sobald wir Schiffsplanken unter den Füßen haben, schlägt uns keiner mehr. Und wenn die ›Bunte Kuh‹ noch so viele Kanonen hat!«
    Die Likedeeler stießen brüllend die Arme in die Höhe. Sie schritten auf die Hanseaten zu, grimmig entschlossen, den Kampf aufzunehmen und jeden Gegner niederzumachen. Es war eine Streitmacht, die die Männer der Hanse veranlasste, abwartend stehen zu bleiben. Störtebeker aber rückte vor, und seine Männer folgten ihm.
    Etwa zweihundert Schritte von den Koggen entfernt, trafen sie aufeinander. Zunächst gingen alle langsam, mit allen Sinnen darauf konzentriert, sich in die Schlacht zu werfen. Je näher sie einander jedoch kamen, desto schneller schritten sie aus, um zum Schluss im Laufschritt aufeinander loszustürmen.
    Hinrik kämpfte gemeinsam mit Störtebeker und Gödeke Michels in vorderster Linie. Er war in seinem Element. Mit dem Schwert in den Händen wusste er sich zu behaupten. Er sah sich Lanzen und Dolchen gegenüber, Waffen, die auf ihre Art äußerst gefährlich waren und die von den Gegnern mit großem Geschick geführt wurden, so dass er bereits in den ersten Minuten mehrere Stichwunden an den Armen und Oberschenkeln davontrug. Doch er hatte ein Schwert, und er wusste wie kaum ein anderer damit umzugehen. Er spürte die Schmerzen nicht,

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