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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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und keiner der Dolche verletzte ihn so, dass seine Kampfkraft geschwächt wurde. Hart und unerbittlich schlug er sich in die Reihen der Hanseaten vor, obwohl er wusste, dass |492| seine Gegner die geringste Schwäche nutzen würden, um ihn zu töten.
    Neben sich hörte er Störtebeker, Gödeke Michels und die Freibeuter, wie sie um ihr Leben fochten. Er war umgeben vom Gebrüll der Männer, von dem Geklirr der Waffen, dem Stöhnen der Verletzten und der Sterbenden. In dem chaotischen Durcheinander versuchten Störtebeker, Gödeke Michels und er sich gegenseitig den Rücken zu decken. Sie streckten einen Mann nach dem anderen nieder und sahen sich trotz dieser Erfolge immer neuen Kräften gegenüber. Die Übermacht der Hanseaten war erdrückend; sie wäre vernichtend gewesen, wenn es ihnen gelungen wäre, sie voneinander zu trennen, um sie einen nach dem anderen auszuschalten. Das ließ Störtebeker jedoch nicht zu. Immer wieder rief er seinen Likedeelern zu, dass sie zusammenbleiben müssten und nirgendwo eine freie Flanke bieten dürften.
    Es war ein schier unerschütterliches Selbstvertrauen in die eigene Kraft, der ausgeprägte Willen zu siegen, der kompromisslose Angriff, der die Männer der Hanse-Koggen erschreckte und ihre Front schließlich ins Wanken geraten ließ. Schon trat der eine oder andere den Rückzug an, warf seine Waffen weg, um sich in Sicherheit zu bringen. Das waren die ersten Anzeichen einer Niederlage.
    Da feuerte die »Bunte Kuh« eine Kanone ab. Der Donner rollte wie eine unsichtbare Wolke über das Watt, trieb die Männer der Hanse in breiter Front zum Rückzug. In ihrem Rücken schwenkte jemand eine weiße Fahne. Zugleich ertönte der Ruf: »Hört auf! Hört auf zu kämpfen. Wir wollen verhandeln.«
    Hinrik ließ das Schwert sinken. Erst jetzt sah er, dass sie Dutzende ihrer Gegner getötet oder so schwer verletzt hatten, dass sie nicht mehr kämpfen konnten. Der Rest hatte die Waffen gestrichen. Die Freibeuter hatten dagegen |493| keinen einzigen Mann verloren und nur einige wenige Verletzte zu verzeichnen.
    Die Front der Hanse-Kämpfer öffnete sich. Wilham von Cronen schritt heran, bekleidet mit einem schwarzen Wams, grauen Strümpfen und kostbaren Lederstiefeln, die mit silbernen Schnallen versehen waren. Auf dem Kopf trug er einen seltsam steilen Hut mit einer silbernen Kogge an der Vorderseite. Eine schwere goldene Kette, an der das Wappen der Stadt Hamburg hing, schmückte seine Brust. Ihm folgten vier Herren in ähnlich aufwendiger Kleidung, ebenfalls mit goldenen Ketten, flankiert von zehn Landsknechten, die mit Lanzen und langen Messern bewaffnet waren.
    »Wir wollen diesen sinnlosen Kampf beenden«, schlug Wilham von Cronen vor. »Er kostet nur unnötig Menschenleben, und keiner hat einen Vorteil davon.«
    »Dann verschwindet von hier und lasst uns in Ruhe«, forderte Störtebeker den Rats- und Handelsherrn auf.
    »Das kann ich nicht, und das werde ich auch nicht«, lehnte von Cronen ab. Er sprach so laut, dass sowohl die eigenen Kämpfer als auch die Likedeeler ihn gut verstehen konnten. Dabei sah er ebenso ernst wie würdevoll aus. Es schien ihn nicht zu stören, dass seine Stiefel und seine Kleidung mit Schlamm beschmutzt wurden. »Die Hanse-Städte haben beschlossen, der Freibeuterei auf der Nordsee ein Ende zu bereiten, und davon weichen sie nicht ab. Lasst uns ein Ende machen. Lasst uns nicht unnötig Blut vergießen.«
    »Deine Männer sind vor uns geflohen«, erwiderte Störtebeker. »Sollte Euch entgangen sein, dass sie gelaufen sind wie die Hasen? Warum sollten wir den Kampf beenden?«
    »Weil wir auf andere Art gegen Euch gewinnen können«, antwortete Wilham von Cronen. »Ihr steht mitten im Watt, eingeschlossen von Wasser. Der Rückweg ins |494| Meer ist Euch versperrt. Wenn wir uns nicht einigen, ziehen wir uns auf die Schiffe zurück und warten ab, bis die Flut kommt. Dann werdet Ihr alle hier auf dem Watt ersaufen.«
    Hinrik sah sich um und stellte fest, dass der Ratsherr recht hatte. Keiner von ihnen würde die Flut überleben.
    Sie hatten keine andere Wahl. Sie mussten verhandeln.
    »Was verlangt Ihr von uns?«, fragte Störtebeker. Er trat vor. Mit beiden Händen hielt er sein blutiges Schwert vor sich.
    »Legt die Waffen nieder«, forderte Wilham von Cronen. Seine blauen Augen sahen ihn kalt an. »Unter Zeugen gebe ich Euch mein Ehrenwort als Richter und Ratsherr der Hansestadt Hamburg, dass keiner von Euch zum Tode verurteilt werden wird. Vergessen wir, was

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