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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Ende in Saus und Braus leben zu können.«
    Gromann verzog missmutig das Gesicht. »Und unsereins kann sich abmühen, so viel er will, er kommt nie auf |146| einen grünen Zweig. Die Handelsherren sorgen dafür, dass wir arm bleiben. Wer reich werden will, muss sich den Freibeutern anschließen. Selbst heutzutage. Die fetten Jahre sind noch nicht vorbei.«
    »Warum habt Ihr es nicht längst getan?« fragte Hinrik. »Was hat Euch daran gehindert?«
    Gromann senkte den Kopf, trank etwas Bier und überlegte lange, bis er endlich antwortete: »Eine gute Frage, mein Freund. Ich hätte es getan, wenn ich nicht eine Familie hier in Hamburg hätte. Außerdem muss ich zugeben, dass ich feige bin. Freibeuter sind mutige Männer. Sie sind Kämpfer. Ich dagegen kann nicht kämpfen. Das habe ich nie gekonnt. Weder mit den Fäusten noch mit dem Schwert. Einen wie mich könnte Störtebeker nicht gebrauchen. Ich könnte nicht morden und brandschatzen. Also muss ich arm bleiben. Aber was soll’s? Was ich verdiene, reicht, um über die Runden zu kommen.«
    Vom Nachbartisch beugte sich ein älterer Mann zu ihnen herüber. »Störtebeker ist ganz anders, als die meisten glauben«, behauptete er. »Der Mann ist kein Mordbrenner. Er hat niemanden getötet. Nicht an Land und nicht auf See.«
    Dagegen wiederum erhob ein anderer Einspruch, der behauptete, dass Störtebeker ein rechter Haudegen sei, der auf nichts und niemanden Rücksicht nehme. Ein Vierter war fest davon überzeugt, dass der Pirat ein Edelmann von bester Herkunft war, der im Auftrag des Königs Unruhe in den Ostseeraum brachte, um die Mächtigen in diesem Gebiet zu schwächen und einer Ausdehnung der königlichen Macht Vorschub zu leisten. Nun schwor ein anderer Stein und Bein, er habe sich an Bord eines gekaperten Schiffes befunden und mit eigenen Augen gesehen, wie Störtebeker den Kapitän geköpft und seinen Leichnam über Bord geworfen habe, den Haien zum Fraß.
    |147| »Haie!«, murmelte Hinrik verächtlich. »In der Ostsee gibt es keine gefährlichen Haie, und wer das Gegenteil behauptet, ist ein Lügner. Die Dornhaie zählen nicht. Sie sind klein und greifen Menschen grundsätzlich nicht an.«
    Die Diskussion ging hin und her. Jeder meinte, etwas zum Thema Störtebeker sagen zu müssen, und je länger man sich mit diesem Freibeuter beschäftigte, desto gegensätzlicher wurden sein Charakter und seine Taten. Hinrik hörte nicht mehr zu. Sich unter diesen Umständen ein Bild von Störtebeker zu machen war unmöglich. Er erinnerte sich an das Schiff auf der Stör, das beim Auslaufen die weiße Fahne mit dem schwarzen Stierkopf gehisst hatte. Möglicherweise war der geheimnisvolle Freibeuter an Bord dieses Schiffes gewesen.
    Er fragte sich, was damals in der Störschleife geschehen war. Ladung war umgeschlagen worden. Beutegut? Es schien, als hätte Wilham von Cronen in irgendeiner Weise damit zu tun. Betrafen die Vorfälle aber auch Hinrik? Hatte er seinen Hof verloren, weil Wilham von Cronen und die Freibeuter an einer Art Spiel beteiligt waren, das auf seinem Rücken ausgetragen wurde?
    Irgendwo musste die Beute bleiben, die von den Piraten auf den Meeren gemacht wurde. In dem sagenhaften Reichtum, von dem immer die Rede war, konnten Störtebeker und die Likedeeler schließlich nur schwelgen, wenn sie ihre Beute irgendwo verkauften. Dazu brauchten sie einen Abnehmer an Land, jemanden, der sich einen Teufel darum scherte, woher die Güter kamen, und bei dem sie sicher sein konnten, dass er sie nicht an die Hanse verriet.
    Es deutete einiges darauf hin, dass Wilham von Cronen von diesem Geschäft zumindest wusste, falls er nicht sogar daran beteiligt war. Er war an Bord eines Piratenschiffs gewesen und hatte dort mit jemandem verhandelt.
    |148| Gromann schlug Hinrik die Hand auf die Schulter. »Was ist mit Euch, Freund?«, lachte er. »Träumt Ihr mit offenen Augen, oder schlaft Ihr schon?«
    »Entschuldigt«, schreckte er auf. »Ich habe mir gerade vorgestellt, wie es wohl ist, reich zu sein und keine Sorgen zu kennen.«
    »Reiche Leute haben auch Sorgen«, erwiderte der fahrende Händler ernst. »Abgesehen vom Geld sind die vermutlich nicht zu beneiden.« Er orderte zwei Krüge Bier. »Aber nun zu etwas anderem. Ich habe gehört, dass es Schwierigkeiten am Kran gegeben hat.«
    »Eine Kleinigkeit«, winkte Hinrik ab. »Nicht mehr.«
    »Der alte Hannes hat mir gesagt, dass er froh wäre, wenn sich endlich jemand fände, der ihn ablöst. Er fühlt sich nicht mehr

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