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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Cronen zu rächen. Selbst nach vielen Jahren harter Arbeit wären seine finanziellen Mittel nicht ausreichend. Für Hinrik war es vollkommen genug, dass er sich ein Quartier suchen und notfalls einige Tage ohne Arbeit überleben konnte.
    Sein erster Weg führte ihn in den »Goldenen Anker«, ein Wirtshaus am Hafen, eingeklemmt zwischen den hoch aufragenden Lagerhäusern mit ihren Kränen. Hier bedienten mehrere Mädchen, und sie umsorgten die Gäste im Wirtsraum und darüber hinaus irgendwo in verborgen liegenden Zimmern. Es gab Bier und gebratenen Lachs und Aal.
    Als Hinrik eintrat, waren alle Tische besetzt, so dass er schon wieder hinausgehen wollte. Da fiel ihm auf, dass ihm jemand zuwinkte. Es war Gromann, der Händler. Sein Gesicht war vom Alkohol aufgedunsen, jedoch nicht wie sonst gerötet, sondern auffallend blass. Er schien sich bester Gesundheit zu erfreuen. Fröhlich forderte er ihn auf, sich zu ihm an den Tisch zu setzen. Nur noch ein Platz war frei. Die anderen Männer – ausschließlich raue Gesellen, die nach Salz, Meer und Hering rochen – rückten zur Seite. Sie hatten bereits gehörig gezecht und erzählten sich derbe Witze.
    |144| »Gut, Euch zu sehen«, freute sich Gromann. »Habt Ihr nun endlich die Nase voll von dem Müller?«
    Hinrik lächelte und bestellte Bier.
    »Der edle Saft kommt aus der Brauerei des Hauses«, erläuterte Gromann. »Nirgendwo in der Stadt wird besseres Bier ausgeschenkt.«
    Hinrik hörte kaum hin. Ihm fiel auf, dass am Nebentisch von Störtebeker gesprochen wurde. Das Gespräch ging um die Beute, die der Seeräuber machte. Einer der Männer am Tisch behauptete, der Mast und einige der Balken an Bord seines Schiffes seien ausgehöhlt und mit Gold und Silber gefüllt worden, weil Störtebeker seine Schätze auf keinen Fall an Land verstecken wollte, wo sie leicht gestohlen werden konnten. Dieser geheimnisvolle Mann interessierte ihn. Er hätte gern mehr von ihm gewusst.
    »Alle Welt redet von Störtebeker, dem Freibeuter«, sagte er. »Wer ist das eigentlich? Keiner scheint ihn zu kennen. Gibt es ihn wirklich?«
    »Und ob!« Gromann schlug seinem Nebenmann, einem blonden Hünen, freundschaftlich auf den Rücken. »He, Claas, Ihr habt vorhin von Störtebeker gesprochen. Hier ist jemand, der Fragen stellt. Stimmt es, dass der Mann sein Unwesen hauptsächlich auf der Ostsee treibt?«
    »Das ist richtig«, bestätigte Claas und stieß mit Hinrik an. »Die Ostsee ist sein Revier. Es heißt, dass er aus der Gegend um Wismar stammt. Aber das sind Gerüchte. Niemand weiß, ob das stimmt. Andere behaupten, dass er in Verden zu Hause ist. Wir werden wohl bald erfahren, was wahr und was erfunden ist.«
    »Dazu müsste man Störtebeker schnappen und verhören«, stellte Hinrik ruhig fest. »Das ist bisher noch keinem gelungen.«
    »Die Zeiten haben sich geändert«, entgegnete Claas. Er |145| hatte wache blaue Augen, und seine Art, sich auszudrücken, ließ auf einen hellen und interessierten Geist schließen. Er war ganz sicher kein einfacher Seemann. »Der schwedische König wurde freigelassen, nachdem er auf die Krone verzichtet hat. Stockholm steht jetzt unter dänischer Hoheit. Inzwischen hat die dänische Königin Margarete in der ›Kalmarer Union‹ die Vereinigung der drei skandinavischen Königreiche unter ihrem Großneffen Erich von Pommern verkündet. Damit werden die Kaperbriefe, die sie den Piraten ausgestellt hat, aufgehoben. Aufgrund der neuen Vereinbarungen bestehlen Störtebeker und die anderen Likedeeler die Hanse also nicht mehr auf legale Weise. Die Kaperer sind inzwischen nichts anderes als Seeräuber. Die Hanse wird die Piraten aus der Ostsee vertreiben. Und nebenbei pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass sie besonders hinter Störtebeker her sind. Hinter ihm und seinem Kumpan Gödeke Michels. Früher oder später werden sie die beiden erwischen.«
    Gromann nickte gewichtig.
    »Es heißt, dass sich viele Freibeuter aus ihrem gefährlichen Gewerbe zurückgezogen haben, um mit dem geradezu sagenhaften Reichtum, den sie erworben haben, ein sorgenfreies Leben an Land zu führen. Die Frage ist, ob Störtebeker das auch macht.«
    »Wenn er klug ist, dann schon«, sagte der Blonde voraus und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. »Er wäre dumm, wenn er weitermachen würde. Keiner hat so viel erbeutet wie er. Selbst die einfachen Seeleute, die mit ihm gefahren sind, gelten als steinreich. Wie viel muss er dann haben? Weitaus genug, um bis an sein

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