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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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er.
    »So ist es wohl«, stimmte sie zu.
    Enttäuscht verließ Hinrik das Haus um zum Hafen zu gehen. Der Südwestwind trieb einen unangenehmen Nieselregen vor sich her, doch Hinrik spürte die Nässe nicht. Er war in eine Sackgasse geraten, und nun suchte er verzweifelt nach einem Ausweg. Dabei war er sich bewusst, dass es für ihn immer gefährlicher wurde, sich in Hamburg aufzuhalten. Er hatte sich Feinde gemacht und eine deutliche Warnung erhalten. Auch Walter Seeler, der Besitzer der Sägemühle, war nicht unbedingt zu seinen Freunden zu zählen, nachdem Hinrik seinen Dienst dort quittiert hatte. Der Mann dagegen, den er stürzen wollte, war zu noch mehr Macht gekommen und würde sie zu nutzen wissen.
    Hinriks Weg führte ihn zum »Goldenen Anker«, doch als er vor dem Gasthaus stand, überlegte er es sich anders. Er schlug den Weg zu von Cronens Haus ein, obwohl es ihm widerstrebte, Greetje zu begegnen. Ihm kam es vor, als hätte er sie hintergangen. Er war sich so sicher, dass sie nichts mit dem Mord an Frau von Cronen zu tun hatte. Niemals hätte sie ihm sonst die Rezeptur gegeben.
    Greetje war arglos. Umso mehr lastete das Wissen auf ihm, welche Schuld ihr Vater auf sich geladen hatte. Ein Arzt sollte heilen. Hinrik machte den Dämon Alkohol dafür verantwortlich, dass Hans Barg sich von Wilham von Cronen hatte verführen lassen.
    Plötzlich legten sich zwei zärtliche Arme von hinten um ihn und zwei kleine Hände auf seine Augen. Von einem |222| silberhellen Lachen begleitet forderte Greetje ihn auf: »Rate, wer ich bin!«
    Wenn eiskaltes Wasser aus den Wolken auf ihn herabgestürzt wäre, hätte die Wirkung nicht größer sein können. Hinrik stand wie erstarrt da.
    »Nun sag’s schon«, bat das Mädchen ein wenig enttäuscht, weil er auf den Spaß nicht eingehen wollte. »Wo warst du so lange?«
    Er drehte sich um und blickte ihr flüchtig in die Augen. »Ich war gerade mal zwei Tage weg.«
    »Mir kam es vor wie eine Ewigkeit!« Sie spürte, dass etwas nicht stimmte. Besorgt musterte sie ihn. »Was ist los, mein Lieber? Wo bist du gewesen? Was ist passiert?«
    »So viele Fragen auf einmal?« Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und fest an sich gedrückt. In der Öffentlichkeit aber musste er darauf verzichten.
    Betroffen legte sie beide Hände an die Wangen. Ihre Lippen wurden bleich. »Ich weiß. Margareta von Cronen ist tot. Und du gibst mir die Schuld.«
    »Dir nicht«, erwiderte er unvorsichtigerweise.
    Sie blickte ihn erschrocken an. »Also meinem Vater! Nein, das glaube ich nicht. Das darfst du nicht tun. Die Frau war krank. Seit vielen Wochen. Niemand konnte ihr helfen. Mein Vater hat es versucht, und tatsächlich ging es ihr immer wieder einmal besser, manchmal so gut, dass sie sogar das Haus verlassen konnte. Aber der ärztlichen Kunst sind Grenzen gesetzt. Der Tee . . .« Die Stimme versiegte. »Was ist mit dem Tee?«, flüsterte sie dann. »Du hast gesagt, Mutter Potsaksch wollte so einen Tee. Aber das war eine Lüge! Gib es zu. Du hast mich getäuscht.«
    »Ich war in Itzehoe bei einer Heilerin und habe ihr die Rezeptur gezeigt.« Er schlug die Augen nieder und fluchte leise. Sie krallte ihre Hände in sein Hemd.
    »Und? Sag endlich. Ich will es hören.«
    |223| »Das pure Gift«, antwortete er leise. »Es gibt keinen Zweifel. Der Tee war tödlich.«
    Tränen schossen ihr in die Augen, und ihre Hände lösten sich. Sie wich vor ihm zurück und schüttelte stumm den Kopf. Sie wollte es nicht glauben. Plötzlich griff sie sich an die Röcke, um sie vor dem Schmutz auf dem Boden zu schützen, und eilte davon, ohne sich noch einmal umzusehen. Er lief ihr nach, doch sie war so schnell, dass sie im Haus verschwunden war, bevor er sie eingeholt hatte.
    Verzweifelt und wütend über sich selbst, weil er sich dazu hatte hinreißen lassen, ihr die Wahrheit zu sagen, ging er in den »Goldenen Anker« und trank ein Bier. Einige andere Männer suchten seine Gesellschaft und forderten ihn auf, mehr zu trinken, aber er wollte nicht. Er verließ das Gasthaus und setzte sich ans Ufer der Alster, wo er so oft mit Greetje gewesen war. Mittlerweile regnete es nicht mehr, und der Himmel riss auf. Seine düstere Stimmung dagegen wollte nicht weichen.

|224| Verhaftet
    Verwirrt, zutiefst enttäuscht und von Ängsten geplagt flüchtete Greetje in das Haus ihres Vaters. Sie war empört über die Verdächtigung, die Hinrik ausgesprochen hatte, und dabei spürte sie tief in ihrem Inneren, dass er recht

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