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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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|216| Bargs benötigte, weil Ritter Christian schwer verletzt war. Greetje hatte ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Jetzt ahnte er, warum. Ihr Vater wäre gar nicht in der Lage gewesen, mit ihm zu gehen und Christian zu behandeln, weil er irgendwo im Haus lag und so betrunken war, dass er nicht mehr stehen konnte.
    Bestürzt fragte sich Hinrik, ob er irgendetwas tun konnte, um Hans Barg und vor allem seiner Tochter zu helfen. Er nahm sich vor, die Augen offen zu halten und bei Gelegenheit mit Greetje zu reden.
    »Ich habe eine Rezeptur von ihm.« Er schob den Zettel über den Tisch, auf dem er aufgeschrieben hatte, welche Ingredienzien der Tee für Frau von Cronen enthielt.
    Sie sah ihn böse an.
    »Was soll das?«, fauchte sie ihn an. »Du weißt, dass ich nicht lesen kann.«
    »Entschuldige. Ich habe nicht daran gedacht.« Er nannte ihr die Wirkstoffe, und sie hörte zu, bis er fertig war. Dann stieß sie ihren Stock heftig auf den Boden.
    »Fliegenpilz und Hüttenkraut!« Sie schüttelte den Kopf, stand auf und drehte den Spieß mit den Hühnern. »Das pure Gift. Im Hüttenkraut ist Arsenik enthalten. In kleinen Dosen, regelmäßig verabreicht wie in diesem Fall, erhöht es die Verträglichkeit gegen das Gift. Das heißt, dass selbst eine Menge, die für andere tödlich ist, nicht schadet – bis man das Arsen absetzt. Dann kommt es zum völligen Zusammenbruch. Auch im Fliegenpilz ist Gift enthalten. Wen willst du mit diesem Tee umbringen, mein Junge?«
    »Niemanden«, beteuerte er. »Von Cronen ist es, der seiner Frau Tag für Tag diesen Tee einflößt. Sie kränkelt und hat das Haus seit Monaten nicht mehr verlassen. Es heißt, dass sie von schrecklichen Geistern heimgesucht wird, die sie die Dinge sehen lassen, wie sie gar nicht sind. |217| Einen See wie eine Pfütze und eine Maus wie ein Schlachtross oder einen Menschen, der zu ihr kommt, so klein, dass er in eine hohle Hand passt.«
    »Das sind keine Geister, das ist das Gift, das man ihr gibt.«
    »Bist du sicher?«
    »So sicher, wie ich mir bin, dass einige der Mönche im Kloster vom anderen Ufer sind oder sich für kleine Kinder interessieren. Von Cronen will seine Frau umbringen. Ohne jeden Zweifel. Wenn er plötzlich aufhört, ihr den Tee zu geben, bricht sie zusammen und stirbt; wenn er weitermacht wie bisher, geht sie langsam und allmählich zu Grunde.«
    Der Rothaarige hatte die Wahrheit gesagt. Das war die Bestätigung, und Hinrik freute sich darüber. Auf der anderen Seite fiel ein böser Schatten des Verdachts auf Hans Barg und auf seine Tochter Greetje. Sie waren es schließlich, die von Cronen mit dem Tee versorgten. Zumindest der Arzt musste wissen, welche Folgen es hatte, wenn dieser Tee verabreicht wurde. Dass er von Cronen jeweils kleine Mengen lieferte, untermauerte den Verdacht.
    »Du siehst nicht gerade glücklich aus«, stellte Spööntje fest.
    Endlich hielt er etwas in der Hand, was er gegen von Cronen verwenden konnte, aber er konnte es nicht nutzen, ohne Hans Barg und Greetje zu schaden. Ein Gefühl des Triumphes wollte sich nicht einstellen.
    Es war spät geworden, und er beschloss, bei der Heilerin zu übernachten. Bis in die tiefe Nacht hinein erklärte sie ihm die einzelnen Gifte und ihre Wirkungen.
    Am nächsten Morgen ging Hinrik ins Kloster. Er fand den Mönch Franz in der Bibliothek, wo er sich ob seiner Kurzsichtigkeit so tief über ein Buch beugte, dass seine Nase beinahe das Pergament berührte. Sein Lehrer war |218| alt geworden. Die Haare waren ihm vollends ausgefallen, und er hatte keine Zähne mehr. Doch seine Sinne waren wach, und sein Gehör hatte ihn nicht im Stich gelassen. Als Hinrik sich ihm näherte, murmelte er, ohne den Kopf zu heben: »Ich dachte schon, du besuchst mich überhaupt nicht mehr. Wie lebt es sich ohne Hab und Gut abseits des Rittertums in der sündigen Stadt?«
    »Ich grüße Euch, Franz«, entgegnete er. »Eure Augen scheinen noch schlechter geworden zu sein.«
    »Um ehrlich zu sein, ich bin fast blind.« Der Mönch richtete sich ächzend auf und begann sich die von der Gicht entstellten Finger zu massieren. Der Schmerz saß in den geschwollenen Gelenken. »Was führt dich zu mir? Ich bin müde und wäre dir dankbar, wenn du gleich zur Sache kommst.«
    »Der Dämon Alkohol«, erklärte und setzte sich auf den Platz, auf dem er so manches Mal über lateinischen Vokabeln geschwitzt hatte, die sich ihm nicht einprägen wollten. »Ein Freund von mir ist ihm verfallen, und ich würde ihm gern

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