Der blutrote Kolibri
und legte es vor Sumakus Brust. Sofort fand sein Maul die Zitzen und es begann gierig zu trinken. Sein Fell war zottelig und hatte schon jetzt sehr schöne schwarze Kringel. Animaya würde die beiden in den kommenden Tagen genau beobachten müssen. Wenn Sumaku nicht fraà oder schwächer wurde, brauchte das Kleine Milch von einer anderen Stute. Aber für heute war ihre Arbeit hier beendet. Mit dem Handrücken wischte sich Animaya den Schweià von der Stirn. Stolz stieg in ihr auf: Sie hatte den Tod besiegt.
»Was ist?«, fauchte Animaya die Leibwächter an. »Ihr könnt abhauen!«
Die drei Männer protestierten nicht. Wenn Animaya sich nicht täuschte, hatten ihre Gesichter in den letzten Minuten eine leicht grüne Farbe angenommen.
»Ihr seid mir Helden!«, spottete Animaya, übermütig vor Glück. »Auf dem Schlachtfeld kann es euch nicht wild genug zugehen, aber vor einer Geburt würdet ihr am liebsten davonlaufen. Das überlasst ihr lieber uns Frauen, dem schwachen Geschlecht!«
Als die drei mit ihren Fackeln das Gehege verlieÃen, fiel ein Schatten in den Verschlag. Der Umriss eines Mannes mit einem Kondor auf der Schulter.
Animaya warf den Kopf herum.
Kapnu Singa hatte sich hinter ihr aufgebaut. In seiner Hand ruhte ein zweischneidiges Schwert. Und ehe sie sichs versah, holte er auch schon damit aus.
»Nicht!«, flehte Animaya und hob verzweifelt die Hände vors Gesicht.
»Befehl von Tupac«, knurrte Kapnu Singa. Sirrend durchschnitt die Klinge die Luft. Animaya kniff die Augen zu und erwartete den TodesstoÃ.
Als sie die Lider nach einer Weile wieder aufschlug, lag das Fohlen reglos im Stroh. Kapnu Singa hatte ihm den Kopf abgetrennt.
Animaya schwanden die Sinne. »Warum habt Ihr mich rufen lassen, wenn Ihr es sowieso töten wolltet?«, flüsterte sie mit zitternder Stimme.
»Weil die Mutter überleben sollte.« Er wischte das Schwert mit einer Handvoll Stroh sauber und steckte es zurück in die Scheide. Die lila Narbe auf seiner Wange pulsierte. »Alle neuen Fohlen werden sterben. Ein Wort darüber und dir geht es genauso!«
Er schulterte das tote Tier und marschierte ohne ein weiteres Wort aus den Stallungen.
Achachi flog zu ihr und blieb zwei Handbreit vor ihr in der Luft stehen. Nun, schien sein Blick ohne jeden Triumph zu sagen, du hattest mich doch um ein Zeichen gebeten â¦
Animaya nickte stumm in sich hinein. Kapnu Singa hatte ihr die Entscheidung abgenommen. Heute hatte er sie am Leben gelassen, weil er ihre Künste bei den Geburten benötigte. Aber wie lange noch? Mit wackeligen Knien stand Animaya auf. Sie musste fort sein, bevor die anderen Pfleger ihren Dienst antraten.
Als sie am Stall ihrer Lieblingsstute vorbeikam, flüsterte sie noch leiser als sonst. »Makuku, dein Fohlen ist in Gefahr! Es wird sterben, wenn ich nichts unternehme.« Die Stute riss die Augen weit auf, wie immer verstand sie jedes Wort. »Ich werde alles dafür tun, um dein Kleines zu retten. Aber dafür muss ich etwas Ungeheuerliches wagen â¦Â« Animaya hielt kurz inne und streichelte dem Tier über den Kopf. »Leih mir deinen Mann, Makuku. Ich verspreche dir, Kapka wird, so schnell es geht, wieder bei dir sein.«
Als die Papageien krächzend ihre Runde über der Stadt drehten, führte Animaya zwei Lamaguahengste an ihren Mäh nen durch die Gassen Paititis.
Der Anblick einer Jungfrau mit diesen heiligen Tieren war nicht gerade häufig, aber auch wieder nicht so ungewöhnlich, dass man dem Trio hinterherstarrte. Vor ihrem Haus ermahnte Animaya die Lamaguas zu warten und stürmte hinein. Zum Glück waren Wisya und Vinoc noch da. Sie hatten sich bereits gewaschen und zogen sich nun in ihrer Kammer an.
»Kapnu Singa war heute Nacht im Stall, um eine Geburt zu überwachen«, sprudelte es aus Animaya heraus.
»Und?« Wisya zupfte an ihrem braunen Gewand herum. Animaya musste nicht Gedanken lesen können, um zu wissen, wie sehr sie die Yatiri bei ihrer letzten Begegnung gekränkt hatte.
»Sonst scheren sich die Generäle einen Dreck um die Geburten, aber plötzlich war es so wichtig â¦Â« Sie senkte den Kopf. »Kapnu Singa hat es getötet.«
Vinoc runzelte fragend die Stirn, deshalb klärte Wisya ihn schnell auf: »Die Prophezeiung der Goldenen Maske. Sie besagt, dass der wahre Inka nichts von seinem Schicksal weiÃ. Offenbar haben die
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