Der Bodyguard: Zwischen High Society und Unterwelt (German Edition)
runden Tisch den Disqualifikationssieg. In der Halle blieb es bei Buhrufen, und es wurden ein paar Pappdeckel geschmissen. Aber der Ring blieb stehen, und wir konnten die Boxer ohne Schaden aus dem Stadion bringen.
Eine andere Situation, in der wir Schlimmeres verhindern konnten, war bei einer großen Veranstaltung, wo sich ein ehemaliger Boxer als Promoter profilieren wollte. Also richtete er einen Boxabend aus, wobei er die Security selbst stellen wollte.
Deshalb gab es bereits im Vorfeld ein Treffen zwischen deren Security-Chef und der Polizei, bei dem das Sicherheitskonzept vorgestellt werden sollte. Er war jedoch völlig unvorbereitet und konnte nichts vorweisen. Das hatte die Polizei offenbar schon stutzig gemacht, so dass es an dem Boxabend eine Personalkontrolle gab. Dabei kam raus, dass einige der Security-Leute die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllten. Die Verantwortlichen der Security-Firma – nicht unbedingt das, was man brave Jungs nennt – flippten plötzlich total aus und gingen auf mich los. Die dachten, ich hätte denen die Polizei auf den Hals gehetzt. Was für ein Schwachsinn! Denn das war gar nicht nötig. Dafür hatten sie selber gesorgt durch ihre Planlosigkeit.
Wenn mein Freund Bayram nicht da gewesen wäre, hätten diese Typen mich in aller Öffentlichkeit in Einzelteile zerlegt. Vor Bayram hatte die Unterwelt Respekt, weil er wirklich nie Angst zu haben scheint und ein stadtbekannter Straßenkämpfer ist. Und obwohl er in der Berliner Unterwelt berüchtigt ist, war er noch nie im Knast.
Bayram steht zu mir, als ob wir Brüder wären. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich ihn durch den Sport kennengelernt habe. Wir haben in der Box-Bundesliga zusammen gekämpft, gemeinsam in einem Team für Berlin. Wir »kämpfen« heute noch gemeinsam. Eben nur nicht mehr im Ring! Er allein hat an dem Abend im Estrel dafür gesorgt, dass die Situation nicht vollends eskalierte.
So ähnlich hat mir Tümer in meiner Security-Anfangszeit auch geholfen. Tümer ist der kleine Bruder von der Boxlegende Oktay Urkal. Wenn mir jemand blöd kam von den Clans, stand Tümer hinter mir. Wie mein eigener Bruder hat er allen gezeigt, dass er zu mir steht. Tümer war auch ein sehr starker Boxer, und ich konnte ihn im Finalkampf zur Berliner Kickboxmeisterschaft besiegen. Das haben nur ganz wenige vor mir geschafft. Tümer hatte davor behauptet, dass ich gegen ihn keine Chance hätte. Er dachte ehrlich, dass ich nicht die Härte hätte, ihn zu schlagen. Mit meinem Sieg hatte ich mir seinen totalen Respekt erkämpft. Und dadurch hat er mich wie seinen eigenen Bruder gegenüber den Clans verteidigt, zumal sein Bruder Oktay einer meiner engsten Freunde ist. Er hat jedoch später leider mit der Dealerei im Drogengeschäft angefangen und wurde für sechs Jahre hinter Gitter gesteckt.
Wenn man in Berlin im Türsteher-Gewerbe ist, kriegt man es früher oder später mit den arabischen Großfamilien zu tun. Der Mechanismus ist immer der gleiche: Es gibt Stress an der Tür, dann kommt das Angebot, den Stress zu verhindern, indem jemand anderer die Tür übernimmt, und dann haben die »Beschützer« die Macht über die Tür – und damit über den Drogenhandel und auch die Prostitution.
Ganz klar: Wenn der Türsteher gleichzeitig der Dealer ist oder den Dealer reinlässt, kann er den Handel kontrollieren. Noch praktischer ist es, wenn der Dealer gleich zur Familie gehört. Das ist der Hauptgrund, weshalb Rocker und die Verbrecher der organisierten Kriminalität, die arabischen Großfamilien, aber auch Türken oder Kurden, die Türen mit ihren Leuten besetzen wollen. Es bleibt alles in der Familie.
Das Nachtleben in Berlin läuft fast nie ohne Drogen. In den noblen Clubs wird vor allem gekokst. In der Regel bringen sich die Gäste das Zeug selber mit. Natürlich nehmen bei weitem nicht alle im Nachtleben Drogen, aber diejenigen, die Koks wollen, suchen sich ihren Club gezielt danach aus, ob sie es dort konsumieren können und gegebenenfalls auch dort bekommen. Und das sollte möglichst einfach sein. Keiner will erst lange draußen nach einem Dealer suchen oder sich auf offener Straße mit ihm treffen. Oft sind das auch Prominente, für die wäre es noch blöder, wenn man sie beim Drogenkauf erwischen würde. Also ist es viel praktischer, wenn der Dealer mit dem Stoff direkt im Club steht oder an der Tür.
Es gibt auch Clubs, deren Sicherheitschefs selbst süchtig sind. Und das sind nicht die unbekanntesten
Weitere Kostenlose Bücher