Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der böse Geist vom Waisenhaus

Der böse Geist vom Waisenhaus

Titel: Der böse Geist vom Waisenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
trotzdem klauen. Oder nimmst du deine mit?“
    „Nö. Nur die Taschenlampe.“
    „Ist ja auch nicht viel Betrieb
hier.“
    Sie zogen los.
    Unter den Bäumen schaltete Tim
die Lampe ein.
    Ihr Schein geisterte über den
festgestampften Boden.
    Ringsum war alles finster, kalt
und schaurig.
    „Ein Glück“, sagte Klößchen, „daß
es keine Wölfe mehr gibt.“
    „Was?“
    „Noch vor hundert Jahren lebten
hier Wölfe. Wilde, freilaufend. Wußtest du das nicht?“
    „Und vor 50 000 Jahren
Säbelzahntiger.“
    „Auch eine vom Aussterben
bedrohte Tierart, wie?“
    „Ist bereits ausgestorben,
Willi. Wie die Dinosaurier.“
    „Wie schön, daß wir heute
leben. Gefährlich im Stadtbereich sind höchstens die Kampfhunde.“
    „Auch die nur, wenn sie in
falschen Händen sind. Bei Ganoven und Luden. Von Natur aus sind Kampfhunde
gutartig. Das Abrichten macht’s.“
    Noch 300 Meter, schätzte Tim,
dann bog links der Pfad ab. Benutzt wurde er vermutlich nur von Christian.
Büsche und Sträucher hatten sich ausgebreitet, der Pfad war kaum noch erkennbar
als solcher.
    Da läuft man leicht vorbei,
dachte Tim und richtete die Lampe nach links, auf Gesträuch und Bäume. Eine
tropfnasse Wand. Die Nadelbäume sahen noch aus wie im Sommer. Aber an den
Büschen waren die Blätter gewelkt oder abgefallen. Frisches Laub bedeckte den
Boden — ein vielfarbiger Teppich der Natur.

    Tim richtete seine Lampe wieder
nach vorn — und dort lag die Gestalt, lag mitten auf dem Weg, bäuchlings, die
hellen Basketballstiefel ihnen zugewandt, die Sohlen rot mit Profil, die kleine
Gestalt seltsam verkrümmt: ein Arm unter dem Körper, der andere ausgestreckt
zur Seite.
    Es war Christian.
    Tim erkannte ihn sofort: an den
grünen Jeans, am beigen Blouson.
    „O Gott!“
    Tim kniete neben dem Jungen.
    Das Gesicht war zur Seite
gedreht und voller — Blut.
    „Ist... er... ist er tot?“
    Klößchens Stimme zitterte.
    „Halt mal!“
    Tim gab ihm die Lampe. Dann
untersuchte er den Neunjährigen. Dazu mußte er ihn erst mal ganz vorsichtig in
Seitenlage drehen.
    Er war bewußtlos. Aber das Herz
schlug, der Puls fühlte sich kräftig an. Doch das Gesicht...
    Er war geschlagen worden.
Platzwunden, Prellungen, Blut-verschmiert jetzt die Haut.
    „Er lebt, Willi. Aber der
Notarzt muß her. Saus los! Bei den Häusern war Licht. Irgendwer hat Telefon.
Notruf. Die Ambulanz. Du weißt, wo wir sind?“
    „Ende Ottern-Straße. Klar. Die
Lampe brauche ich nicht. Ich finde mich zurecht.“
    Er rannte los.
    Tim kümmerte sich um Christian.
    Waren irgendwelche Knochen
gebrochen? Offenbar nicht. Wer hat das getan? dachte Tim. Unbegreiflich!
Schlägt jemand diesen kleinen Kerl bewußtlos. Das sind Verletzungen von
Faustschlägen. Da bilden sich schon Blutergüsse. Echte Mißhandlung. Wer tut
sowas?
    Ein tiefer Atemzug des Jungen.
    Tim leuchtete ihm ins Gesicht.
    Christian hatte die Augen
geöffnet.
    „Christian! Ich bin’s. Der
Tim.“
    Keine Antwort.
    „Kannst du mich hören? Hast du
Schmerzen?“
    Christians aufgeplatzte Lippen
spannten sich.
    „Nicht... nein! Ich... ich
will’s nicht... nie wieder...“
    „Christian! Ich bin’s.“
    Tim richtete die Lampe auf sein
eigenes Gesicht.
    Der Junge war verstummt. Tim
hielt seine Hand. Sie war eiskalt.
    „Christian! Weißt du, wer dich
geschlagen hat?“
    „Tim, du... hast ihn
vertrieben?“
    „Er war schon weg. Aber wer?“
    „Das war... war... Ich... weiß
nicht.“
    „Hattest du Streit mit
jemanden?“
    „Nein. Nur... Mir wird
schlecht.“
    „Klößchen holt den Arzt. Gleich
wird gesorgt für dich.“
    „Mir... dreht sich alles. Ich
glaube, ich werde ohnmächtig.“
    So sah er auch aus, nämlich
totenbleich. Die Augen schienen sich nach oben zu verdrehen.
    „Sag noch schnell, wer dich
geschlagen hat.“
    „Das... Rotbart. Rotbart
war’s.“
    „Rotbart?“
    „Er heißt Vleske. Mit... V.
Er... kommt manchmal hierher. Er...“
    Christians Kopf sank zur Seite.
Eine gnädige Ohnmacht hüllte ihn in ihr schützendes Dunkel.
    Tim zog seine Jacke aus und
breitete sie über den Jungen. Mehr war im Moment nicht möglich.
    Zu dem Entsetzen und Mitleid,
das Tim empfand, kam jetzt Wut.
    Wer war dieser Rotbart? Wer
bringt es fertig, einen kleinen Jungen halbtot zu schlagen?
    Vleske, der Rotbart, dachte
Tim. Der wird zu finden sein.
    Der TKKG-Häuptling stand auf
und begann, auf der Stelle zu hüpfen.
    Er trug nur einen dünnen
Pullover über dem T-Shirt und war schon vom Regen durchnäßt bis auf die

Weitere Kostenlose Bücher