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Der böse Geist vom Waisenhaus

Der böse Geist vom Waisenhaus

Titel: Der böse Geist vom Waisenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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wahr?“

    „Guten Abend, Herr Dr. Reithl.
Willi und ich haben Christian gefunden.“
    „Was hat er gesagt? Er war doch
bewußtlos, wie? Sei aber kurz zu sich gekommen, sagt der Polizist. Und hat einen
Namen genannt. Richtig?“
    Seine Frau legte ihm die Hand
auf den Arm.
    „Beruhige dich doch, Matthias!“
    Er schüttelte ihre Hand ab.
„Was hat Christian gesagt?“
    Tim wunderte sich. Dem Zahnarzt
war offenbar mehr an der Verfolgung des Täters gelegen als an Christians
Zustand.
    „Christian ist für einen Moment
aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht“, berichtete der TKKG-Häuptling. „Erst hat
er mich nicht erkannt und schien furchtbar verängstigt. Dann begriff er, daß
der Horror vorbei ist. Und sagte, Rotbart sei es gewesen, der Vleske heiße —
mit V geschrieben. Rotbart ist also der Spitzname.“
    „Sonst hat er nichts gesagt?“
    Tim schüttelte den Kopf.
    Frau Reithl, die Carola hieß,
zerrte am Arm ihres Mannes, als wollte sie das Speckgebirge zurückhalten vor
irgendwas.
    Tim musterte die beiden.
    Auch Klößchen schien zu spüren,
daß deren Verhalten merkwürdig war.
    Carola Reithl war schlank, fast
mager, als fräße ihr Gatterich ihr alles weg. Weiße Haut, eine Unmenge
rotblonder Haare, grüne Lidschatten, Purpurmund. Sie trug einen blauen, langen
Nappaleder-Mantel mit üppigem Polarfuchs-Kragen. Sie sah aus wie ein Model (Fotomodell ),
das sich einen reichen, fetten Zahnarzt geangelt hat und nun dessen Geld
ausgibt.
    „Ich... will mein Kind sehen,
will zu meinem Christian“, sagte sie, ohne die Worte an irgend jemand zu
richten.
    „Geht im Moment nicht“,
erteilte Tim Auskunft. „Christian wird untersucht. Sie röntgen ihn.“
    „Wo ist der Arzt?“ fragte
Reithl und sah sich um dabei, starrte auch die kränkelnde Zimmerpalme an, als
könnte der Mediziner sich dahinter versteckt haben.
    Das Stichwort wirkte.
    Ein Halbgott im weißen Kittel
kam aus der Station, hatte auch weiße Hosen an und weiße Schuhe. Er sah müde
aus, lächelte aber.
    Mit ihm kam eine junge
Schwester, die ein Kleiderbündel unter dem Arm hielt.
    „Sie sind die Eltern?“
    Er trat zu den Reithls und
stellte sich vor als Dr. Schneider, Stationsarzt.
    Carola bedrängte ihn gleich mit
Fragen, während Reithl drei, vier Atemzüge lang mit offnem Mund schwitzte.
    Schneider wirkte ernst, aber so
sah er vermutlich immer aus — auch an Kindergeburtstagen. Er redete beruhigend.
Es bestehe keine Gefahr. Trotz erheblicher Verletzungen. Bruch des Oberkiefers
und des Jochbeins. Gehirnerschütterung. Riß des Trommelfells. Ein operativer
Eingriff, ein harmloser, sei unumgänglich. Christian werde gerade darauf
vorbereitet. Deshalb könne jetzt niemand zu ihm.
    Carola sank auf einen Stuhl und
preßte die Hände ans Gesicht — seltsamerweise, wie Tim auffiel, an die
Wangenknochen, wo kein Make-up ruiniert werden konnte wie an Mund oder Augen.
Sie atmete keuchend und begann durch die Nase zu schnüffeln.
    Klößchen, der neben ihr saß,
bot ein Papiertaschentuch an. Sie nahm es.
    Reithl hatte die Fäuste geballt
und bewegte sie neben den Schenkeln hin und her.
    „Der Täter heißt Vleske“,
murmelte er. „Wird offenbar Rotbart genannt.“
    Dr. Schneider machte eine
Handbewegung zu der jungen Schwester.
    „Christians Sachen. Wenn Sie
die bitte mitnehmen.“
    Reithl riß sie dem
Karbolmäuschen fast aus der Hand.
    „Ist das alles?“
    Der Arzt runzelte die Stirn.
    Die Schwester nickte. „Was er
anhatte.“
    Reithl sagte: „Wir sollen hier
warten. Der Kommissar kommt her.“
    Dagegen hatte niemand was. Den
Arzt rief die Pflicht. Er und die Schwester gingen zurück auf die Station.
    Reithl setzte sich auf den
Stuhl neben der Zimmerpalme und begann Christians Taschen zu durchstöbern.
    Tim sah ihm zu und bemühte
sich, seine Verwunderung mimisch im Zaum zu halten. Wonach suchte der Zahnarzt?
    Er förderte zutage: ein
Taschentuch, Schlüsselbund, Kaugummis, ein kleines Messer in lederner Scheide,
vier oder fünf eingewickelte Bonbons, einen zerknitterten 50 Mark-Schein und
eine kleine Fantasie-Figur aus Hartgummi oder Plastikmaterial. Sie stellte
Ukutor dar, einen Weltraumbewohner aus dem Jahre 3011 — der zugleich Maschinist
eines Raumschiffs war und auch so aussah: ein dickbäuchiger Kerl im
Raumfahrt-Overall, plattnasig, kurzbeinig, aber mit übergroßen Ohren. Die Figur
war massakriert (mißhandelt) worden.
    Tim saß etwa fünf Meter entfernt.
Trotzdem sah er: Ukutor wies mindestens ein Dutzend Einstiche auf — in

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