Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
dafür gebührt, was
nicht stimmt. Es ist der Spiegel, der den Weg frei macht für den Einblick ins Grundbuch der Wulffs, der sich durch alle Instanzen klagt
und damit ein für die journalistische Arbeit wichtiges Grundsatzurteil
erstreitet. Auch der Stern recherchiert monatelang über die Hausfinanzierung der Wulffs. Und letztlich ist es Christian Wulff selbst, der
Anfang Dezember 2011 Einsicht in den Kreditvertrag gewährt in der
Annahme, das Thema damit vom Tisch zu bekommen. Zweifellos
tragen die Recherchen aller drei Medien insgesamt dazu bei, den
Druck auf den Bundespräsidenten zu erhöhen und seine Hausfinan- zierung offenzulegen. Aber es ist die Bild-Zeitung, die die Verbindung
herstellt zwischen Privatkredit und Auskunft gegenüber dem Landtag,
insofern findet sie zweifellos den richtigen Aufhänger nach der Enttäuschung darüber, dass das Geld nicht von einem prominenten niedersächsischen Unternehmer kam.
Dass ein Ministerpräsident sich eine halbe Million Euro von der
Frau eines Unternehmers leiht, auch eines befreundeten, ist journalistisch zweifellos von Interesse - vor allem wenn er im Landtag Geschäftsbeziehungen zu ebendiesem Unternehmer geleugnet hat. Auch
die Anschlussfinanzierungen der Wulffs werfen zunächst Fragen auf,
die Wulff teils unvollständig, ungenau oder gar fehlerhaft beantwortet.
Für die Medien erweckt der Bundespräsident damit den Eindruck,
immer nur so viel preiszugeben, wie bereits recherchiert worden ist.
Durch die Art und Weise, wie Wulff die Einzelheiten seiner Hausfinanzierung kommuniziert, erscheinen die Ungereimtheiten wesentlich
wichtiger, als sie am Ende gewesen sein mögen. Wulff wird deshalb zu
Recht vorgeworfen, auf eine „Salamitaktik" zu setzen. Auch das Interesse der Medien an den Urlaubsreisen zu befreundeten Unternehmern
ist absolut legitim. Es geht hier um einen Grenzbereich zwischen Politik und Wirtschaft, in dem politische Amtsträger sehr genau aufpassen und damit rechnen müssen, dass die Medien genau hinsehen.
Christian Wulff begeht den schweren Fehler, den Medien zu unterstellen, dass sie ihm kein Privatleben zugestehen. Davon kann jedoch
keine Rede sein. Vor allem aber zerstört er die eigene Glaubwürdigkeit
durch seine schlechte Krisenkommunikation - und zwar schon ganz
am Anfang. Durch sein Verhalten erweckt Wulff den Eindruck, als
gäbe es etwas zu entdecken, er provoziert die Nachfragen zunächst
regelrecht, bietet Angriffsfläche und trägt entscheidend zur Fortschreibung der Krise bei. Der überwiegende Teil der Medien macht zunächst
einmal seine Arbeit.
Dennoch erstaunt, mit welcher Wucht sich die Kritik an Wulff
bereits ganz zu Anfang entlädt, es schließlich zu einer regelrechten
Rudelbildung aufseiten der Medien kommt, bei der die Meinungsvielfalt völlig abhandenkommt. Bereits ganz zu Anfang der Krise steht für einen Teil der Medienlandschaft fest, dass Wulff im Bellevue nichts
mehr verloren hat. Am Abend des 13. Dezember kommentiert die
Süddeutsche Zeitung im Internet, dass Wulff „als moralische Instanz
versagt" habe. Zwei Tage darauf stellt die Frankfurter Rundschau fest,
dass Wulff sich „zu klein für das große Amt" erweist, und fordert:
„Wulff sollte gehen, jetzt." Und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
fordert Mitherausgeber Frank Schirrmacher: „Jetzt muss er verstummen." Schirrmacher stellt in einem langen Kommentar die Verbindung
her zwischen Wulffs Privatkredit und der Finanzkrise und spricht ihm
die Glaubwürdigkeit ab, sich jemals wieder zum diesem wichtigsten
Thema der Gegenwart äußern zu können. „Wie will er, der bislang
wenig zur Krise zu sagen hatte, jetzt eigentlich überhaupt noch etwas
sagen?" Der Spiegel titelt am 17. Dezember: „Der falsche Präsident",
und rechnet darin mit Wulff und seiner Amtszeit ab. Nachdem er
bisher kein besonders guter Präsident gewesen sei, erweise er sich jetzt
als der falsche.
In vielen Medien wird die Krise zum Anlass genommen, eine Bilanz der Präsidentschaft zu ziehen, die häufig unvollständig ausfällt.
So heißt es im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung,
nach der Rede zum Islam „kam nichts mehr". Die Bild am Sonntag
stellt fest, Wulff sei nie richtig im Amt angekommen. „Es fehlen die
großen Reden zum Atomausstieg, zur Eurokrise, zum arabischen
Frühling und der Nazi-Terrorzelle." Die Rede zur Eurokrise wenige
Monate zuvor in Lindau, man mag sie finden, wie man will, wird
dabei schlichtweg
Weitere Kostenlose Bücher