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Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Götschenberg
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gelungen, ihn aus
dem Amt zu entfernen. Die Macht der Medien war nicht absolut.
Zurücktreten musste Wulff erst, als die Justiz das Spielfeld betrat."
    Die allerdings sieht sich im Laufe der Wochen ebenfalls massiv von
den Medien unter Druck gesetzt. So setzen die Medien in der zweiten Januarhälfte verstärkt auf Interviews mit tatsächlich oder angeblich
namhaften Rechtsexperten, die ihr Unverständnis zum Ausdruck bringen, dass gegen den Bundespräsidenten keine staatsanwaltlichen Ermittlungen eingeleitet werden. Der Bochumer Strafrechtler Klaus
Bernsmann stellt Ende Januar im Spiegel fest: „Der Grund für die ungewöhnliche Zurückhaltung der Staatsanwaltschaften scheint eine Art
feudalistischer Respekt vor dem Bundespräsidenten zu sein." Eine Woche später schreibt der Spiegel: „Juristen kritisieren Zurückhaltung in
der Wulff-Affäre". Dabei werfen „immer mehr renommierte Strafrechtler" den Ermittlern vor, „den Bundespräsidenten zu sanft zu behandeln".
Einen Tag bevor die Staatsanwaltschaft Hannover tatsächlich Ermittlungen gegen Wulff auf den Weg bringt, erhöht Bild den Druck auf die
Justiz: „Top-Juristen empört über Staatsanwaltschaft Hannover - Präsidenten-Bonus schützt Wulff", heißt es bei Bild.de. Die „Top-Juristen"
sind sechs Rechtsanwälte und ein Strafrechtler aus Göttingen, die fest
stellen, dass gegen jeden Normalbürger längst Ermittlungen eingeleitet
worden wären. Zahlreiche Auftritte in den Medien hat der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim aus Speyer, der bereits vor Weihnachten
staatsanwaltliche Ermittlungen für „notwendig" hält und Mitte Januar in einem Gutachten zu dem Schluss kommt, dass die „Grenze der
Strafbarkeit eindeutig überschritten" sei.

    Letztlich erhöhen die Medien den Druck auf die Justiz, als klar ist,
dass Wulff von sich aus nicht zurücktreten wird und die Einleitung
staatsanwaltlicher Ermittlungen aber wohl einen Rücktritt nach sich
ziehen würde. Die Justiz steht aufgrund des wachsenden öffentlichen
Drucks immer mehr mit dem Rücken zur Wand. Gleichzeitig ist sie
darauf angewiesen, dass die Medien das Material zur Aufnahme von
Ermittlungen liefern, was schließlich auch geschieht. Nachdem sie
wochenlang Druck auf die Justiz ausgeübt haben, sind es dann die
Medien, die der Staatsanwaltschaft Hannover das Material in die
Hand geben, um schließlich doch Ermittlungen gegen Wulff einzuleiten. Es ist die Leistung der Medien, das Material ausgegraben zu
haben, das schließlich zur Aufnahme von Ermittlungen führt, doch
man kann bezweifeln, dass die Präsidentschaft Wulff dieses Ende genommen hätte ohne die Skandalisierung in den Wochen seit Mitte
Dezember. Es ist eine sehr formale und für die übrigen Akteure auch
beruhigende Betrachtung, dass ein unbekannter Staatsanwalt dem
Präsidenten den Todesstoß versetzt hat. Ein politischer Beobachter
drückt es ein halbes Jahr nach dem Rücktritt so aus: „Christian Wulff
ist blutend in ein Becken voller Piranhas gesprungen."

    Bemerkenswert bleibt, mit welcher Wucht die Medien auf Wulff
reagieren. Bereits Mitte Januar meldet sich der Schriftsteller Günter
Wallraff zu Wort und stellt fest, die Bild-Zeitung wolle Wulff „vernichten". Auch wenn Wulff selbst immer neues Futter für die Fortschreibung der Krise liefert, veranstalten die Medien im Laufe der
Wochen schließlich eine Art Treibjagd. Am Ende scheint es, als reiche
der Rücktritt nicht mehr, mit der Berichterstattung über Ehrensold,
Büroausstattung und Zapfenstreich kommt es schließlich zu einer
öffentlichen Hinrichtung. Während sich zweifellos die Frage stellt,
ob ein ehemaliger Bundespräsident nach 598 Tagen im Amt und einem Rücktritt infolge staatsanwaltlicher Ermittlungen lebenslang
Anspruch auf den Ehrensold haben kann, nimmt die Berichterstattung rund um den Zapfenstreich bizarre Züge an. Zum Skandal wird
schließlich, dass Wulff sich vier anstelle von drei Liedern wünscht.
Schließlich wird ausführlich über Absagen von Spitzenpolitikern berichtet, die dem Zapfenstreich fernbleiben wollen, obwohl sie gar
nicht eingeladen sind.
    Allen voran arbeitet Bild an der totalen Demontage ihres ehemaligen Lieblings. „Nach dem Rücktritt Wulffs als Bundespräsident macht
Bildvoll auf Volkszorn", stellen Wolfgang Storz und Hans-Jürgen Arlt
in ihrer Studie fest. Christian Wulff werde attackiert und verspottet,
während Bild Bettina Wulff gleichzeitig bejubelt. „Im Zusammenhang
mit

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