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Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Götschenberg
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in der Geschichte der Bundesrepublik der Fall, und in allen drei Fällen wurde die Vertrauensfrage fingiert gestellt, um die Auflösung des Bundestages bewusst
herbeizuführen. Zuletzt entschied sich Gerhard Schröder 2005 für
diesen Weg, um den Weg für Neuwahlen freizumachen. All das sind
Ausnahmefälle unserer Demokratie, mit dem Alltag des Bundespräsidenten haben sie nichts zu tun.

    Pflicht dominiert den Terminkalender des Staatsoberhaupts, Kür
hingegen und seine vornehmste Aufgabe ist die große Rede. Sie findet
sich nicht im Grundgesetz unter der ohnehin schmalen Aufgabenbeschreibung des Bundespräsidenten, aber sie ist dennoch das, was vor
allem auch von ihm erwartet wird, sie ist sein Werkzeug, um sich
politisch Gehör zu verschaffen, um Kritik zu üben oder neue Impulse und Orientierung zu geben. Das Staatsoberhaupt soll dem Land,
seinen Menschen und der Politik Denkanstöße liefern, Debatten anstoßen, es soll mahnen und versöhnen. Roman Herzog wird der Satz
zugeschrieben: „Da der Bundespräsident nichts zu sagen hat, muss er
reden." Tut er das nicht, wird schnell gefragt, was er eigentlich macht.
Allerdings verpufft die Wirkung der meisten Präsidentenreden
schnell. Wenige sind wirklich in Erinnerung geblieben, wie Richard
von Weizsäckers Rede zum B. Mai 1985 oder auch die sogenannte
„Ruck Rede" von Roman Herzog. Am Ende kann ein Bundespräsident froh sein, wenn ein einzelner Satz dauerhaft mit seiner Amtszeit
in Verbindung gebracht wird.
    Die Erwartungen an das Amt sind also meist gewaltig, die Amtszeit früherer Bundespräsidenten wird oft verklärt, so wenig auch in Erinnerung geblieben sein mag. Auf einen neuen Bundespräsidenten
wartet keine tagespolitische Herausforderung, anders als bei einem
Regierungschef. Eine Präsidentschaft ist kein Selbstläufer. Ein Bundespräsident muss sich seine Themen suchen. All das macht das Amt
am Ende zu einem sehr schwierigen Amt, und alle Amtsträger haben
Zeit gebraucht, sich in diesem Amt zurechtzufinden, für sich die
Frage zu beantworten, was sie mit diesem Amt eigentlich anfangen
wollen. Christian Wulff geht es im Sommer 2010 nicht anders. Die
Ausgangslage ist schwierig: das Amt an sich steht nach dem Rücktritt
von Horst Köhler unter besonderer Beobachtung, Wulff übernimmt
es in einer Ausnahmesituation. Hinzu kommt, dass vor allem die
Medien seiner Kandidatur ablehnend begegnet sind, Wulff die Medien und weite Teile der Bevölkerung also erst davon überzeugen
muss, dem Amt gewachsen zu sein. Als besonders schwierig für den
neuen Bundespräsidenten erweist sich der Wechsel vom Amt des
Ministerpräsidenten, in dem er einen Gestaltungsauftrag hatte, in
die rein repräsentative Funktion des Bundespräsidenten. Die ersten
hundert Tage zeigen, dass Wulff den Ministerpräsidenten nicht in
Hannover gelassen hat.

    Hundert schwierige Tage

    hristian Wulff meint, seinen Job als Ministerpräsident noch
bis zum letzten Tag voll ausfüllen zu müssen. Das hält ihn
davon ab, sich gedanklich voll auf die neue Aufgabe zu konzentrieren. So zieht er die geplante Sommerreise, die er sich als Ministerpräsident im Juni quer durch Niedersachsen vorgenommen hat,
neben all den Vorstellungsrunden, die er als Präsidentschaftskandidat
in Landtagen und Bundestagsfraktionen zu absolvieren hat, wie geplant durch. Das führt dazu, dass Wulff nur eine ungefähre Idee hat,
was er mit dem Amt anstellen will. Auch die kurze Rede nach der
Wahl und die Antrittsrede nach der Vereidigung wenige Tage später entstehen eher nebenbei. Auf dem Höhepunkt der Krise, als Wulff
ARD und ZDFAnfang Januar 2012 ein Interview gibt, beklagt er,
bei seinem Amtsantritt keine „Karenzzeit" gehabt zu haben. Der Satz
fliegt ihm um die Ohren, da Wulff in diesem Moment für ein schlechtes Krisenmanagement kritisiert wird und niemand hören will, dass
er es von Anfang an schwer gehabt habe. Dabei hatte er in der Tat im
Vergleich zu seinen Vorgängern ausgesprochen wenig Zeit, sich auf
das Amt vorzubereiten. Geht die Amtszeit eines Bundespräsidenten
zu Ende, der nicht zur Wiederwahl antritt, hat der absehbare Nachfolger meist mehrere Monate, um sich intensiv auf das neue Amt
vorzubereiten. Wulff ist nach dem völlig unerwarteten Rücktritt
Horst Köhlers einen Monat später Bundespräsident und muss seine
Amtsgeschäfte in Niedersachsen übergeben. Dass er diese Zeit nicht
ausschließlich dafür nutzt, sondern auch noch meint, eine Sommertour machen zu

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