Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
als in einem Fernsehinterview, bei dem alle Beteiligten
immer daran denken, wie sie auf den Zuschauer wirken. Hinzu
kommt, dass das Fernsehinterview mit 20 Minuten in der Länge überschaubar ist, während eine Pressekonferenz möglicherweise eine Stunde gedauert und es wie eine Flucht ausgesehen hätte, sie an einem
bestimmten Punkt zu beenden.
Das Fernsehinterview ist die erste öffentliche Stellungnahme Wulffs
zu den Vorwürfen, die gegen ihn erhoben werden, seitdem er vor Weihnachten eine erste Erklärung abgegeben hat. Es ist die einzige Interview-Situation, in die Wulff sich bis zu seinem Rücktritt begibt. Im
Bellevue ist man überzeugt davon, dass es eigentlich nur einen Auftritt
dieser Art geben kann. Dieser eine Schuss muss sitzen. Der strategische
Ansatz des Bellevue sieht so aus, dass man sich mehr oder weniger
damit abgefunden hat, die Stimmung in den Medien vor allem aufgrund der Mailbox-Geschichte zu diesem Zeitpunkt nicht drehen zu
können. Zwar will Wulff sich auch bei den Medien entschuldigen, vor allem aber setzt das Bellevue darauf, Verständnis für die Lage des
Bundespräsidenten bei der Bevölkerung zu wecken. Wulff versucht in
dem Fernsehauftritt vor allem, die Bevölkerung zu erreichen. Die Strategie ist durchaus naheliegend: In Umfragen ist immer noch ein erstaunlich hoher Teil der Bevölkerung der Ansicht, dass Christian
Wulff trotz aller Vorwürfe im Amt bleiben kann.
Zwar betonen die Medien immer wieder, dass der Rückhalt für
Wulff in der Bevölkerung schwindet. In Wahrheit ist es jedoch vielmehr erstaunlich, dass trotz des vernichtenden Urteils, das die Medien
seit Wochen über Wulff fällen, noch immer die Hälfte der Befragten
in repräsentativen Umfragen meinen, Wulff könne im Amt bleiben. In
gewisser Weise geht die Strategie des Bellevue für das Fernsehinterview
auf. Danach sprechen sich in einer Umfrage von Infratest dimap immerhin 60 Prozent der Menschen dafür aus, Wulff eine zweite Chance
zu geben. Mit 56 gegenüber 41 Prozent sind deutlich mehr Menschen
der Ansicht, dass Wulff nicht zurücktreten müsse, obwohl letztlich nur
ein Drittel der Befragten seinen Fernsehauftritt „überzeugend" findet.
Deutlich wird bei der Umfrage unmittelbar nach dem TV-Auftritt
auch, dass es in der Bevölkerung eine große Skepsis gegenüber den
Medien gibt: Bemerkenswerte 57 Prozent sind der Ansicht, dass die
Medien Wulff "fertigmachen wollen". Unbenommen davon wird Wulffs
Verhalten von einer gleich großen Menge als „peinlich" empfunden.
In dem Interview werden zunächst der Anruf auf der Mailbox, dann
die Finanzierung des Hauses und die Urlaube bei Freunden thematisiert, bevor es am Ende um die Frage geht, ob Wulff meint, noch im
Amt bleiben zu können. Die zentrale Botschaft ist, dass er an Rücktritt
nicht denkt. Für den Anruf bei der Bild-Zeitung bittet er um Entschuldigung. Dieser sei mit seinem eigenen „Amtsverständnis nicht vereinbar" gewesen, sondern „ein schwerer Fehler, der mir leid tut, für den
ich mich entschuldige". Gleichzeitig versucht er, um Verständnis für
sein Handeln zu werben: Er habe sich in dem Moment als „Opfer"
gesehen. Man müsse die Situation „menschlich sehen", durch die
Recherchen von Bild zu seiner Hausfinanzierung seien „Freunde in
die Öffentlichkeit gezogen" worden, er habe sich schützend vor seine Familie stellen müssen. Es gebe Persönlichkeitsrechte und auch „Menschenrechte für Bundespräsidenten". Als Bundespräsident müsse man
die Dinge aber so im Griff haben, „dass einem so etwas nicht passiert".
Wulff betont, dass er nicht versucht habe, die Berichterstattung von
Bild zu verhindern, sondern nur darum gebeten habe, sie um einen
Tag zu verschieben. Sein Verhältnis zu den Medien müsse er „neu
ordnen". Ausdrücklich betont er, dass ihm der Wechsel vom Ministerpräsidenten zum Bundespräsidenten nicht leichtgefallen sei. Er sei
ohne „Karenzzeit" ins Amt gekommen und habe einen „Lernprozess"
durchmachen müssen.
Die Grundlagen der Hausfinanzierung habe er von Anfang an, schon
in seiner ersten Erklärung, genannt. Der Privatkredit sei ihm von Edith
Geerkens angeboten worden, Egon Geerkens sei ein langjähriger Freund,
„schon seit Schulzeiten". Geschäftsbeziehungen zu Herrn Geerkens habe
er nicht gehabt, bei der Anfrage im niedersächsischen Landtag sei es um
die Unternehmen von Herrn Geerkens gegangen. Wulff gibt aber zu,
dass er den Privatkredit im Landtag hätte
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