Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
beschädigt, stellt Generalsekretärin Andrea Nahles fest, „durch seine unbesonnene Art,
durch sein Amtsverständnis". Die Opposition versucht in diesen Tagen, aus der Affäre Wulff eine Affäre Merkel zu machen. Jenseits dieser öffentlichen Stellungnahmen ist die Gemengelage im Bundestag
sehr unterschiedlich. Bei vielen Abgeordneten wird der Fernsehauftritt
als unerträglich empfunden. „Das war unsäglich, diese Mischung aus
Selbstgerechtigkeit und Flehen um Gnade", erinnert sich ein Oppositionsabgeordneter. Doch auch in den Reihen der Koalition ist die
Wahrnehmung oft ähnlich: „Wie ein Pennäler hat er dagesessen",
meint ein Abgeordneter der Union. Manch einer findet es schon nicht
mit dem Amt vereinbar, dass der Bundespräsident sich überhaupt in
ein Fernsehstudio setzt, um sich persönlich zu rechtfertigen. Wieder
andere meinen, er hätte direkt eine Pressekonferenz geben müssen, so
sei das nichts Halbes und nichts Ganzes gewesen. Und schließlich gibt
es auch Stimmen, die der Ansicht sind, der Auftritt sei „gut, aber etwas
spät" gewesen, erinnert sich ein Unionsabgeordneter.
Das Medienecho auf das Fernsehinterview ist vernichtend. „Reue
ohne Einsicht", kommentiert die Frankfurter Rundschau, „Gnade dem
Präsidenten" heißt es in der Süddeutschen Zeitung, die feststellt, Wulff
sei der erste Bundespräsident, „der sich selbst begnadigt". Für das
Handelsblatt ist Wulff „Der Klammerer", der um seinen Verbleib im
Amt kämpft. Die Stuttgarter Zeitung spricht von „homöopathisch
dosierter Reue", die Westdeutsche Allgemeine Zeitung findet den TVAuftritt „Zum Fremdschämen" und die Rhein-Neckar-Zeitung stellt
fest: „Der Rest ist Fassungslosigkeit." Bei den Medien macht Wulff
mit seinem Fernsehauftritt nicht einen Quadratzentimeter Boden gut.
Im Gegenteil: Vor allem zwei Aussagen in dem Interview bescheren
Wulff neue Probleme. Zum einen die Ankündigung, er werde alles
ins Internet stellen, zum anderen seine Behauptung, er habe die Berichterstattung der Bild-Zeitung nur verschieben, aber nicht verhindern wollen. Bild nutzt die Gunst der Stunde und begibt sich als
Akteur auf die Bühne.
Der Showdown mit Bild
ch habe nicht versucht, sie zu verhindern, ich habe darum gebeten,
einen Tag abzuwarten." Mit diesem Satz widerspricht Wulff in
seinem Fernsehinterview der Darstellung von Bild, er habe Kai
Diekmann angerufen, um die Berichterstattung der Zeitung über seinen Hauskredit zu unterbinden. Wer zu diesem Zeitpunkt noch Zweifel daran hat, dass es den Krieg zwischen Bild und Wulff tatsächlich
gibt, der wird am Tag nach dem Interview des Bundespräsidenten eines
Besseren belehrt. Im Bundespräsidialamt geht ein Fax ein, in dem
Bild-Chef Diekmann Wulff dazu auffordert, Bild die Erlaubnis zu
geben, die Mailbox-Nachricht zu veröffentlichen. „Mit Verwunderung
haben wir gestern Ihre Aussage im Fernsehen zur Kenntnis genommen,
bei Ihrem Anruf auf meiner Mail-Box sei es nicht darum gegangen,
Berichterstattung zu Ihrem Hauskredit zu verhindern, sondern ledig lich um einen Tag zu verschieben. Um Missverständnisse auszuräumen,
was tatsächlich Motiv und Inhalt Ihres Anrufes angeht, halten wir es
deshalb für notwendig, den Wortlaut Ihrer Nachricht zu veröffentlichen. Wir möchten dies nicht ohne Ihre Zustimmung tun, und bitten
Sie deshalb im Sinne der von Ihnen versprochenen Transparenz um
Ihr Einverständnis zur Veröffentlichung." Bild setzt Wulff damit die
Pistole auf die Brust und kann dabei eigentlich nur gewinnen: Verweigert Wulff die Veröffentlichung der Nachricht, dann sieht er schlecht
aus, erlaubt er sie, kann jeder das präsidiale Schwadronieren über Krieg
mit dem Springer-Verlag in voller Länge nachvollziehen. Das Schlimmste für Wulff dabei: Er weiß nicht mehr im Detail, was genau er Diekmann eigentlich auf die Mailbox gesprochen hat - das weiß nur Bild.
Die Antwort aus dem Präsidialamt lässt nicht lange auf sich warten.
In einer schnell einberufenen Sitzung der engsten Mitarbeiter des Bundespräsidenten setzt sich die Meinung durch, den Ball an Bild zurück
zuspielen. Wulff schreibt Diekmann einen Antwortbrief, den er ebenfalls öffentlich macht. Darin verbietet der Bundespräsident die Veröffentlichung der Nachricht nicht, sondern erklärt vielmehr, dass er sich
bei Diekmann entschuldigt und der Bild-Chef diese Entschuldigung
auch angenommen habe. „Damit war die Sache zwischen uns erledigt.
Dabei sollte es aus meiner Sicht
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