Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
erwähnen sollen. Aber er habe
in der parlamentarischen Situation abwägen müssen, was privat sei und
was nicht jeden etwas angehe. Die Anschlussfinanzierung bei der BWBank habe er zu ganz normalen Konditionen bekommen. Den Kredit
habe Herr Geerkens vermittelt. Jetzt werde dieses Geldmarktdarlehen
in einen langfristigen Kredit umgewandelt. Dass er gezielt den Eindruck
erweckt habe, dies sei bereits geschehen, weist er zurück. Auch den
Vorwurf der „Salamitaktik" bei der Aufklärung lässt Wulff nicht gelten:
Er habe mittlerweile 400 Fragen beantwortet, da könne man nur scheibchenweise antworten. Seine Urlaubsreisen als Ministerpräsident zu befreundeten Unternehmern verteidigt Wulff Es gebe eindeutig keinen
Verstoß gegen das Ministergesetz: „Das sind Freunde, die ich seit Schulzeiten habe."
Auch mit dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Talanx-Versicherungskonzerns, Wolf-Dieter Baumgartl, sei er seit Jahren eng
befreundet. Dieser sei außerdem schon „Pensionär" gewesen, erklärt
Wulff, was nur bedingt stimmt. Die Wulffs hatten nach ihrer Hochzeit
eine Woche Urlaub in Baumgartls Villa in Italien gemacht, der Ex Manager ist zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender des Talanx-Aufsichtsrats. Wenn Politiker nicht mehr bei Freunden übernachten dürften,
so Wulff, dann „verändert sich die Republik zum Negativen". Darum
stehe er zu diesen Urlauben. Nur wenn es auf das Amt bezogen sei,
wenn es dienstliche Kontakte gebe, „dann kommt das nicht infrage".
Wulff macht klar, dass er Bundespräsident bleiben will. Die Bürgerinnen und Bürger setzten letztlich auch darauf. Er sei kein „Bundespräsident auf Bewährung" - diese Begrifflichkeit finde er „völlig daneben".
Er habe nicht gegen irgendein Gesetz verstoßen, weder jetzt im Amt
noch vorher, es gehe um Fragen von Transparenz und Darlegung.
Bemerkenswert ist, dass Wulff in seinem TV-Interview eine Anspielung auf die Gerüchte um seine Frau macht. „Was im Internet über
meine Frau an Fantasien verbreitet wird...", sagt Wulff, ohne den Satz
zu Ende zu bringen. Bei dieser Andeutung bleibt es.
In dem Teil des Interviews, in dem es um die Urlaube bei befreundeten Unternehmern geht, vergaloppiert sich Bettina Schausten. „Da hätten Sie doch sagen können, da gebe ich euch pro Nacht 150 Euro",
konfrontiert Schausten den Bundespräsidenten. Wulff fragt sie sichtlich
erstaunt, ob sie das bei ihren Freunden so mache, was Schausten mit „Ja"
beantwortet. Bettina Schausten wird in diesem Moment zum Gesicht
für die an manchen Stellen kleinkarierte Herangehensweise der Medien,
für das, was später als „Bobby-Car-Niveau" der Krise bezeichnet wird:
als skandalisiert wurde, dass die Wulffs von einem Autohändler ein
Bobby-Car geschenkt bekommen hatten. In den folgenden Tagen wird
die ZDF-Journalistin von einer Welle Reaktionen vor allem im Internet
regelrecht überrollt, manche davon sind heiter, andere voll von Hohn
und Spott. Bei Facebook gründen sich spontan Gruppen wie Jr.
Schausten muss ihre bezahlten Übernachtungen bei Freunden offenlegen", die schnell auf mehrere Tausend Mitglieder kommen.
Politisch gelingt Wulff mit dem Fernsehinterview kein Befreiungsschlag. Es führt nicht dazu, dass er mehr öffentliche Unterstützung in der Koalition erfährt. Nach dem TV-Auftritt ringen sich die Koalitionsspitzen ein Signal der Unterstützung für Wulff ab, wenn auch kein
kraftvolles. Für die CDU erklärt ihr Generalsekretär Hermann Gröhe,
er sei sicher, dass „Christian Wulff damit erfolgreich Vertrauen in der
Bevölkerung zurückgewinnen" werde. FDP-Generalsekretär Döring
spricht von einem „wichtigen Schritt". Doch es ist unüberhörbar, dass
man bei der Koalition ganz und gar nicht davon ausgeht, die Sache sei
überstanden, was aufgrund des desaströsen Echos in den Medien auch
kein Wunder ist. Die CDU-Spitze orientiert sich bei der Suche nach
einer geeigneten Sprachregelung offensichtlich an den Umfrageergebnissen nach dem Fernsehauftritt. Auch die Kanzlerin stellt das Vertrauen der Bürger in den Vordergrund. Ihren Regierungssprecher
Steffen Seibert lässt sie sagen, der Fernsehauftritt des Bundespräsidenten sei ein wichtiger Schritt gewesen, das „Vertrauen der Bürger wiederherzustellen". Die Kanzlerin habe „große Wertschätzung" für
Christian Wulff als Mensch und als Bundespräsident.
SPD und Grüne halten den Ball flach. Bei der SPD heißt es, nun
dürfe „nichts mehr nachkommen", das Amt sei
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