Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
bleiben. Es erstaunt mich, dass Teile
meiner Nachricht auf Ihrer Mailbox nach unserem klärenden Telefongespräch über andere Presseorgane den Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben. Es stellen sich grundsätzliche Fragen zur Vertraulichkeit
von Telefonaten und Gesprächen. Hier haben die Medien ihre eigene
Verantwortung wahrzunehmen." Wulff überlässt damit letztlich Bild
die Entscheidung, ob die Zeitung die Nachricht veröffentlichen will
oder nicht und spielt damit den Schwarzen Peter verhältnismäßig elegant zurück. Ein Sprecher des Springer-Verlages gibt daraufhin bekannt, dass Bild den Wortlaut der Nachricht nicht veröffentlichen
werde, und fügt hinzu, dass Bild das bedauere, denn so könne der vom
Bundespräsidenten versprochenen Transparenz nicht genügt werden.
Die Auseinandersetzung ruft einige Journalisten auf den Plan, die
Bild ihr Spiel nicht durchgehen lassen wollen. „Das ist eine riesige Inszenierung, die wir hier erleben", stellt Hans Leyendecker von der
Süddeutschen Zeitung fest. Besonders pointiert setzt sich die taz mit
der Rolle von Bild auseinander: „Was Diekmann mit der Bild gerade
macht, ist eine Grenzverletzung. Die Zeitung gibt ihre Beobachterfunktion weitgehend auf und verfolgt nun mehr das Ziel: Wulff soll
zur Strecke gebracht werden." In einem Kommentar pariert Diekmann
schließlich die Kritik an der Bild-Zeitung. „Wer den Fall und die Probleme des Bundespräsidenten jetzt zu einem Machtkampf zwischen
dem ersten Mann im Staat und der größten Zeitung im Land aufpumpt, der geht wahrhaft völlig in die Irre." Richtig ist zweifellos, dass
die Krise um den Bundespräsidenten deutlich mehr ist als ein Machtkampf zwischen Diekmann und Wulff. Die Auseinandersetzung um
die Mailbox-Nachricht macht allerdings sehr deutlich, dass sie das
eben auch ist. Nachdem Bild den goldenen Dolch, den Wulff mit
seiner Mailbox-Nachricht überreicht hatte, anderen Medien serviert
hat, nimmt Diekmann die Waffe schließlich selbst in die Hand. Bild
spürt jedoch sehr schnell, dass sie bei einer direkten Auseinandersetzung zwischen Diekmann und Wulff nicht punkten kann, und scheut
deshalb vor einer Veröffentlichung der Nachricht zurück.
Alles ins Internet
00 Journalistenfragen habe er mittlerweile beantwortet, sagt
Christian Wulff im Laufe des Fernsehinterviews bei ARD und
ZDF. Wenige Sätze später kündigt er an, seine Anwälte würden
am nächsten Morgen „alles ins Internet" stellen. Schon in diesem Moment entsteht der Eindruck, als wolle Wulff tatsächlich alle Fragenkataloge und die dazugehörigen Antworten der zurückliegenden Wochen
für jedermann online verfügbar machen. Spätestens in dem Moment,
wo er Bettina Schausten vom ZDFnoch anbietet, er gebe ihr „gern die
400 Fragen und 400 Antworten", besteht eigentlich kein Zweifel mehr:
Alles soll ins Internet. Die Idee kommt ihm spontan, sie entsteht in dem Moment, als Wulff darüber spricht - es ist kein Missverständnis, wie
in den Tagen danach zum Teil gemutmaßt wird, und keine wohlüberlegte Ankündigung, die am Ende schlecht umgesetzt wird. Wulff meint
ernst, was er sagt, er will tatsächlich auf diese Weise Transparenz herstellen. Wulffs Berater hingegen trauen ihren Ohren nicht, als sie das
Fernsehinterview verfolgen. Die spontane Transparenz-Offensive erweist sich als Bumerang, denn die Sache ist nicht so einfach, wie der
Bundespräsident sich das vorstellt. Zwar stellen seine Anwälte am
nächsten Tag „alles ins Internet", aber eben nur eine Zusammenfassung
dessen, was Wulff bis zu diesem Zeitpunkt über seine Hausfinanzierung
und die Urlaubsreisen zu befreundeten Unternehmern öffentlich gemacht hat. Die Enttäuschung ist groß, denn das, was man im Internet
findet, ist sehr weit von dem entfernt, was Wulff angekündigt hat.
Entsprechend wächst in den folgenden Tagen der Druck auf den Bundespräsidenten, seinen Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Einmal
mehr sieht es so aus, als versage Wulff dabei, für wirkliche Transparenz
zu sorgen. Es ist ein weiteres Kommunikationsdesaster.
Tagelang wird im Bundespräsidialamt hin und her überlegt, wie
man ohne Gesichtsverlust aus der Sache wieder herauskommt. Der
Schaden ist ohnehin bereits entstanden, da es am Ende so aussieht,
als beuge das Bellevue sich dem Druck der Öffentlichkeit. Doch die
Situation ist selbstverschuldet eingetreten - es gab keinerlei Grund,
diese Ankündigung überhaupt zu machen. In Wulffs Umfeld
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