Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
Italienreise.
Die Absprache im Vorfeld ist eindeutig: Fragen sind nur zur Italienreise erlaubt, nicht zur Krise. Christian Wulff kommt in Anzughose
und weißem Hemd, aber ohne Jackett in sein Amtszimmer, das im
Halbdunkel liegt. Er ist verbindlich, aber auch misstrauisch und müde.
Die vergangenen Wochen haben erkennbar ihre Spuren hinterlassen:
Er hat deutlich abgenommen, das Gesicht wirkt schmal und fahl. Für
den politischen Teil der Reise wird sich wohl niemand interessieren,
sagt Wulff müde lächelnd, nachdem er einige Sätze ins Mikrofon gesagt hat. Natürlich weiß er, warum die Medien mitfahren. Am Tag
zuvor hatten Wulffs engste Mitarbeiter noch überlegt, den Staatsbesuch doch lieber abzusagen, den Gedanken dann aber verworfen. Es
wird die letzte Reise des Präsidentenpaares Wulff werden. Nur fünf
Tage später, am 17. Februar, tritt Christian Wulff zurück.
Der Rücktritt
ie Medien wissen es zuerst. Es gehört zu den kuriosen Details
in diesen Wochen der Krise rund um den Bundespräsidenten, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hannover, die Aufhebung der Immunität des Präsidenten zu beantragen,
um ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, die Medien vor dem Bundespräsidialamt erreicht. Als die Mitteilung aus Hannover im Bellevue eintrifft, laufen bereits die Eilmeldungen über die Nachrichtenagenturen. Gerüchte, dass die Staatsanwaltschaft sich so entscheiden
werde, kursieren bereits die ganze Woche. Wulffs Anwälte hatten die Staatsanwaltschaft gebeten, dass die Entscheidung nach Möglichkeit
nicht bekannt gegeben wird, während der Bundespräsident in Italien
ist. Am Mittwoch war Wulff aus Italien zurückgekehrt, Donnerstagabend ist es so weit. Die Staatsanwaltschaft selbst steht seit Wochen
unter einem enormen Druck. Den Beamten in Hannover ist klar, was
sie mit ihrer Entscheidung auslösen. Zweifellos ist die Hürde hoch,
man weiß in Hannover, was auf dem Spiel steht, doch gleichzeitig
gibt es den öffentlichen Druck, die Vorwürfe, die durch journalistische Recherchen auf den Tisch gekommen sind, juristisch zu verfolgen. Gleichzeitig weiß die Staatsanwaltschaft, welche Vorwürfe ihr
möglicherweise selbst am Ende eines Ermittlungsverfahrens blühen,
wenn sich herausstellt, dass juristisch doch nichts zu beanstanden ist,
das Staatsoberhaupt aber zurückgetreten ist. Die Staatsanwaltschaft
ist in diesen Tagen nicht zu beneiden.
Es ist am Ende die Freundschaft zwischen Christian Wulff und
David Groenewold, die dazu führt, dass die Ermittler sich entschließen, den entscheidenden Schritt zu gehen. Bei Groenewold, so die
Einschätzung der Staatsanwaltschaft, gibt es mehr als nur die persönliche Freundschaft, es gibt auch das geschäftliche Interesse an der
Politik, an einer Förderung durch das Land Niedersachsen. Ironischerweise ist es am Ende der CDU-Politiker Peter Hintze, der die Staatsanwaltschaft auf einen Zusammenhang aufmerksam macht, während
er Wulff in einer Talkshow verteidigt, ein Zusammenhang, von dem
Hintze eigentlich meint, er würde Wulff entlasten. Es geht um ein
Schriftstück aus der Staatskanzlei Hannover, auf dem der damalige
Ministerpräsident Wulff handschriftlich auf seine persönliche Beziehung zu David Groenewold hinweist und deshalb anordnet, jede Unterstützung des Landes für Groenewolds Unternehmungen besonders
genau zu prüfen. Allerdings stellt sich heraus, dass dieses Dokument
nicht aus dem Jahre 2006 stammt, als Groenewold eine Landesbürgschaft beantragte, sondern aus dem Jahr 2009. Das Medienreferat der
Staatskanzlei stellt darin den Sinn der Landesbürgschaften für die
Filmförderung in Niedersachsen insgesamt infrage. Das Papier, das
Wulff eigentlich entlasten sollte, belastet ihn. Im Ergebnis leitet die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein. Da dafür der Immunitätsausschuss des Bundestages die Immunität des Bundespräsidenten
aufheben muss, schickt sie am Donnerstagabend einen entsprechenden
Antrag heraus.
Am Nachmittag desselben Tages hatte der Bundespräsident noch
eine Journalistengruppe zu einem Hintergrundgespräch im Schloss
empfangen. Auch dies, wie schon der Staatsbesuch in Italien, sollte
signalisieren, dass Wulff seine Arbeit macht, und helfen, das Verhältnis zwischen Medien und Bellevue langsam zu entkrampfen. Einmal
mehr hatte Wulff dabei erklärt, dass er nicht beabsichtige, zurückzutreten. Als der Antrag der Staatsanwaltschaft den Bundespräsidenten
erreicht, sieht die Welt
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