Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
folgenden Tag zum ersten Mal über die Hausfinanzierung der Wulffs
berichten wird, bekommen die wichtigsten Mitarbeiter einen Hinweis.
Zunächst hatten Christian Wulff und Olaf Glaeseker geglaubt, das
Problem aus der Welt schaffen zu können, indem sie Bild und Stern
am 6. und 7. Dezember im Präsidialamt Einblick in den Privatkredit
gegeben hatten. Anschließend versuchte Glaeseker vergeblich, Bild
hinzuhalten, um zu verhindern, dass die Geschichte erscheint, während der Bundespräsident auf Auslandsreise ist. Am 12. Dezember
schließlich überschlugen sich die Ereignisse: Der Bundespräsident intervenierte bei Kai Diekmann und Springer-Vorstand Mathias Döpfner, Glaesekers Antworten auf den Fragenkatalog der Bild-Zeitung zur
Hausfinanzierung wurden hektisch wieder zurückgezogen - kurzum:
Es ging drunter und drüber. Obwohl eigentlich seit Anfang Dezember
absehbar war, was droht, schlittern der Bundespräsident und sein Sprecher kopf- und planlos in die sich anbahnende Krise. Offenbar haben
die beiden bis zuletzt nicht geglaubt, dass es tatsächlich zum Bruch
mit Bild kommt.
Als klar ist, dass die Bild-Zeitung am kommenden Tag berichten
wird, wird das Reiseprogramm des Bundespräsidenten in Kuwait in
aller Eile zusammengestrichen. Am nächsten Morgen des 13. Dezember sitzen Wulff, Glaeseker und einige weitere Mitarbeiter zusammen,
um eine erste kurze Presseerklärung zu formulieren. Glaeseker verschickt diese schließlich auf dem offiziellen Papier des Bundespräsidenten, was innerhalb des Präsidialamts sofort Widerspruch hervorruft: Es handele sich um Vorwürfe, die mit der Institution „Bundespräsident" nichts zu tun hätten, werden Glaeseker und Wulff bei ihrer
Rückkehr nach Berlin von den Juristen des Präsidialamts belehrt. Es
gibt einen Präzedenzfall, auf den sie sofort verweisen: Bundespräsident
Johannes Rau. Als Rau von einer Flugaffäre eingeholt wurde, die in
seiner Amtszeit als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen lag,
beauftragte er ein Anwaltsbüro mit der Kommunikation gegenüber
den Medien, da die Rolle des Staatsoberhaupts und das Bundespräsidialamt nicht belastet werden sollten. Olaf Glaeseker ist dagegen, die
Angelegenheit „juristisch" zu behandeln, er hält die Kommunikation
über die Anwälte für falsch. Christian Wulff entscheidet sich dennoch,
dem Druck des Präsidialamts nachzugeben und wie Rau die Sozietät
Redeker Sellner Dahs einzuschalten. Der Medienanwalt Gernot Lehr
nimmt sich des Falles an.
Alle Medienanfragen, die in der Pressestelle des Präsidialamts zu
Wulffs Amtszeit in Niedersachsen eintreffen, werden fortan an das
Anwaltsbüro weitergeleitet und dort bearbeitet. Lehr nimmt damit
nicht nur die Rolle eines juristischen Beraters, sondern auch eines
externen Pressesprechers ein. Der Weg über die Anwälte ist letztlich ohne Alternative. Die kleine Pressestelle des Präsidialamts verfügt
nicht über die personellen Ressourcen, täglich neue Fragenkataloge
und Dutzende Telefonanfragen zu beantworten. Wulff hätte Mitarbeiter aus anderen Abteilungen abziehen müssen, um die Pressestelle
personell aufzustocken, was ihm den Vorwurf eingebracht hätte, den
Präsidentenapparat mit Problemen zu belasten, die aus seiner Amtszeit
als Ministerpräsident in Niedersachsen stammen. Die Entscheidung
für die Kommunikation über die Anwälte wird in der Öffentlichkeit
allerdings vielfach nicht verstanden, zum Teil auch nicht von den Medien. Sie wirkt wie ein juristisches Bollwerk und als Indiz dafür, dass
Wulff versucht, die Dinge auf eine rein juristische Ebene zu reduzieren.
Der Bundespräsident und seine engsten Mitarbeiter sind in den
ersten Tagen regelrecht erschlagen von der Wucht, die die Krise bereits
ganz am Anfang entfaltet. Christian Wulff sieht die Ablehnung, mit
der die Medien im Juni 2010 auf seine Nominierung reagierten, mit
einem Mal wieder auferstehen. Wulffs Beraterteam geht davon aus,
dass die Hausfinanzierung nur der Anfang ist und man sich auf eine
gewaltige Kampagne gefasst machen muss. Man hält die Situation aber
nicht für aussichtslos. Das Krisenmanagement kommt zunächst nur
langsam in Gang, was auch damit zu tun hat, dass das Anwaltsbüro
sich erst einmal einen Überblick verschaffen muss. So braucht Wulff
zwei Tage, nämlich bis zum 15. Dezember 2011, bis er eine weitere,
ausführlichere Presseerklärung herausgibt. Sie ist das Ergebnis eines
endlosen Hin und Hers innerhalb des Präsidialamts:
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