Der Bordeaux-Betrug - Der Bordeaux-Betrug - The Bordeaux Betrayal
»Allzu fesselnd kann sie nicht sein.«
»Der Grund liegt darin, dass es sich um ein ausgewähltes Publikum handelt. Ich bin sicher, dass sie faszinierend sein wird.«
Er vergrub seine Hände in den Hosentaschen und grinste, als hätte ich etwas Witziges gesagt. »Hast du ihr Buch gelesen?«
»Seit August habe ich noch nicht einmal in die Zeitung geschaut, da wir nur mit der Weinlese beschäftigt waren.«
»Dann lass uns zu Abend essen und uns verdrücken. Wen kümmert es schon, ob wir hier sind?«
»Joe kümmert es. Ich habe ihm versprochen, dass wir den ganzen Abend bleiben. Ich denke, ihr Buch klingt interessant. Es beschäftigt sich mit Thomas Jeffersons Reise durch die europäischen Weinbaugebiete während seiner Zeit als Botschafter in Frankreich.«
Ich handelte mir einen weiteren tödlichen Blick von ihm ein. »Warum tritt sie dann nicht in Monticello auf, wenn sie über Jefferson geschrieben hat? Was hat sie hier zu suchen?«
»Weil Jefferson für George Washington eine Menge Wein eingekauft hat. Außerdem geht sie noch nach Monticello. Ich glaube, Joe hat gesagt, dass sie ihre Vortragsreise in Charlottesville beenden wird. Vor kurzem hat sie ihre Tour durch Kalifornien abgeschlossen. Jetzt ist die Ostküste dran.«
Wir hatten die efeubedeckte Kolonnade erreicht, die Washingtons Dienstbotenunterkünfte mit dem Hauptgebäude verband. In der Ferne glänzte der Fluss wie stumpfer Zinn. Ich führte Mick zu der Steinmauer, wo das Gelände abfiel und sich ein herrlicher Ausblick auf den Potomac bot, der sich bis zum Horizont erstreckte. Im dunklen Licht wirkte der Fluss hier bei Mount Vernon riesig und unendlich tief.
Wir standen schweigend da, bis Mick schließlich sagte: »Du hast recht. Der Anblick ist wirklich unglaublich.«
Der melancholische Klang seiner Stimme überraschte mich. »Ich wusste doch, dass es dir gefallen würde.«
»Diese Klippen erinnern mich an Wales.« Nostalgie machte seine Stimme ganz weich. »Als Junge fuhren wir während der Sommerferien regelmäßig von London dorthin. Mein Gott, wie sehr ich das genossen habe! An der Nordküste thronen die Schlösser genau wie dieses über der Steilküste, nur dass zur Irischen See hin alles felsig ist.«
Ich glaube, dass man einen geliebten Ort so sehr vermissen kann, dass es körperlich schmerzt. Ich hatte gelesen, Washington habe förmlich nach seinem Zuhause geschmachtet, wenn er nicht dort war – was häufig vorkam – und seine Pflichten als Oberbefehlshaber der Kontinentalarmee oder als erster Präsident in Philadelphia erfüllte. Während ich den von ihm geliebten Ausblick genoss, der sich kaum verändert hatte, seit er und Martha hier Jahrhunderte zuvor gestanden hatten, wusste ich, dass auch mich Heimweh nach diesem atemberaubenden Ort befallen würde. Genau wie Micks Stimme jetzt dessen Heimweh nach der Nordküste von Wales verriet.
Hinter uns klingelte eine Glocke, und ich drehte mich um. Der Himmel im Westen sah aus wie in flüssiges Gold getaucht, und das Herrenhaus schien von einem Feuerkranz eingeschlossen zu sein. Die von Säulen umgebene Veranda begann, sich mit Menschen zu füllen.
»Sieht so aus, als ginge es gleich los«, sagte ich. »Ich frage mich, wo Joe ist.«
»Er wird schon noch kommen.« Micks Arm glitt wieder um meine Taille, und diesmal ließ ich ihn gewähren. Als wir das Haus erreichten, sah ich einen Mann und eine Frau, die in einem der von Säulen eingefassten Bogengänge wie eine Kamee eingerahmt waren. Laternenlicht aus dem östlichen Hof beleuchtete sein Gesicht, als er sich zu ihr hinüberbeugte und eine Hand auf ihre Schulter legte. Die Frau strich sich eine Strähne ihres schulterlangen blonden Haares hinters Ohr. Dann zog sie seinen Kopf für einen langen, genussvollen Kuss zu sich herab. Ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Der Mann war der Verlobte meiner Cousine, Joe Dawson. Die Frau kannte ich nicht, aber es handelte sich todsicher nicht um Dominique.
»Komm«, sagte Mick. »Die Leute sammeln sich. Wir verpassen noch, was die Fremdenführerin sagt.«
Entweder hatte er nicht gesehen, was ich gerade beobachtet hatte, oder er hatte Joe nicht erkannt.
»Ich komme.«
Im Laufe der Jahre hatte ich diese Führung schon so oft mitgemacht, dass ich sie praktisch selbst hätte vornehmen können, doch Mick, der sechs Monate zuvor nach Virginia gezogen war, hatte Mount Vernon noch nie besucht. Wir begannen mit dem Speisesaal, dem größten Raum des Hauses, der in seinen ursprünglichen Farben
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