Der Bordeaux-Betrug - Der Bordeaux-Betrug - The Bordeaux Betrayal
englischen Hotels. Die Frau am Empfang trug einen gediegenen schwarzen Hosenanzug und eine einreihige Perlenkette.
»Kann ich Ihnen helfen?« Sie setzte ihre Hornbrille ab und betrachtete mich von oben bis unten.
Der Schal war mir von der Schulter gerutscht. Ihr Blick huschte von meinem Gesicht zur Schulter, und ich schaute ebenfalls dorthin. Die Frau starrte auf einen roten, übel aussehenden faustgroßen Bluterguss.
Ich zog den Schal auf seinen alten Platz und sagte: »Ich möchte Joe Dawson sprechen.«
»Dr. Dawson erteilt derzeit Unterricht.« Ihrer Stimme nach zu urteilen hatte ich keinen guten ersten Eindruck hinterlassen.
»Es handelt sich um einen Notfall, sonst wäre ich nicht hier.«
Sie hob eine Augenbraue. »Wenn es sich um eine Privatangelegenheit handelt …«
Toll! Sie glaubte also, mein Freund habe mich verprügelt.
»Es hat einen Unfall gegeben, in den jemand verwickelt ist, den er kennt«, sagte ich. »Jemand anderes. Nicht ich. Bitte, es ist wichtig!«
»Oh.« Sie setzte ihre Brille wieder auf, und jetzt schaute sie mich genauer an. »Ich dachte, es beträfe Sie. Bitte nehmen Sie Platz. Ich werde ihn sofort informieren. Wen darf ich ihm melden?«
Ich sagte es ihr, und sie griff nach dem Telefonhörer.
Fünf Minuten später hörte ich Schritte auf der Marmortreppe um die Ecke, und Joe kam herangelaufen.
Als ich mich vom Sofa erhob, verrutschte mein Schal erneut. Joes Blick wanderte sofort, genau wie bei der Empfangsdame, zu meiner Schulter.
»Mein Gott, Lucie! Was ist passiert? Den ganzen Tag über habe ich versucht, dich zu erreichen.« Er durchquerte schnell die Halle und fasste mich an den Händen. In einer piekfeinen Schule wie dieser erwartete man vom Lehrkörper, dass man gepflegt und angemessen gekleidet erschien. Joe war an diesem Morgen offensichtlich nicht dazu gekommen, sich ordentlich zu rasieren. Auf seiner Krawatte prangte ein Fleck, und am Ärmel seines marineblauen Blazers klebten Reste von Radiergummi. Um die Augen hatte er dunkle Ringe. Hoffentlich hielten sich nicht gerade irgendwelche Schulinspektoren zu einer Konferenz in der Stadt auf.
»Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«, fragte ich.
»Natürlich, sicher.« Er wandte sich an die Empfangsdame. »Janice, ist irgendwer im Konferenzzimmer?«
Janice machte ein Gesicht, als könnten wir ihretwegen bleiben, wo wir waren, denn sie hätte nur zu gerne gewusst, um was es ging. »Oh, nein. Es ist frei. Sie können es benutzen.«
In dem kalten, stickigen Raum befanden sich weitere Gemälde von verstorbenen Schuldirektorinnen. Alle hatten ein leichtes Lächeln amüsierter Überlegenheit auf den Lippen und Augen, die einem überallhin zu folgen schienen. Joe schaltete das Licht ein und zog einen Mahagonisessel mit burgunderrotem Lederpolster vom Konferenztisch.
»Setz dich, Zuckerpüppchen!«
Er lächelte, doch seine Augen waren ernst. Zumindest hatte er seinen Lieblings-Spitznamen für mich benutzt. Ich setzte mich vorsichtig hin und lehnte die Metallkrücke, die ich damals nach meinem ersten Unfall im Krankenhaus bekommen hatte, an den Tisch.
Joe nahm den Sessel neben mir und schlug die Beine übereinander. Auch seine Socken passten nicht zusammen – einer blau, der andere braun.
»Was ist mit dir passiert? Soll ich dir etwas holen? Wasser?«, fragte er. »Wo ist Valerie?«
»Nein, danke!« Ich schüttelte den Kopf und nahm eine seiner Hände zwischen meine. »Es tut mir furchtbar leid, es dir sagen zu müssen, aber Valerie hatte heute Morgen einen Autounfall. Deshalb hast du nichts von ihr gehört.«
Joes jugendliches, gutes Aussehen mit den Grübchen, wenn er lachte, führte immer noch dazu, dass er sich ausweisen musste, wenn er Alkohol kaufen wollte, obwohl er bereits Mitte dreißig war. Sein Gesichtsausdruck versteinerte, und plötzlich wirkte er viel älter. »Liegt sie im Krankenhaus?«
»Nein«, sagte ich. »Ihr Wagen kam an dieser Haarnadelkurve zwischen dem Fox and Hound und meinem Weingut von der Straße ab. Irgendwie hat sich ein Rad gelöst, und sie stürzte in den Goose Creek. Sie hat den Unfall nicht überlebt. Ich dachte, ich sollte es dir persönlich mitteilen.«
Während ich sprach, hatte er genickt. Und er nickte immer noch, nachdem ich fertig war, als müsse er erst verarbeiten, was ich sagte, wäre aber noch nicht an dem Punkt angelangt, dass Valerie tot war.
»Es tut mir leid«, wiederholte ich.
Er hörte auf zu nicken, und der Glanz in seinen Augen erlosch. »Hast du dir
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