Der Boss
was aufhängst. Aber Onkel Abdullah würde sich fragen, ob du psychische Probleme hast.«
»Du meinst, er würde mich für schwul halten.«
»Exakt.«
Das leuchtet mir ein. Aber ist es wirklich okay, alles aus meiner Wohnung zu entfernen, was etwas mit meinem Charakter zu tun hat, nur um irgendeinen Onkel nicht zu irritieren? Erwartet Aylin, dass ich für die Familienharmonie auf meine Persönlichkeit verzichte? Irgendwo ist aber auch mal die Grenze erreicht. So. Das muss ich jetzt sofort unmissverständlich klarstellen. Obwohl es natürlich ein Konflikt ist – und Konflikte mit Aylin stehen auf meiner Was-ich-in-meinem-Leben-um-jeden-Preis-vermeiden-muss-Liste noch vor ›Geschlechtskrankheiten‹ und ›André Rieu live erleben‹. Ich atme tief durch. Daniel, das ist wichtig. Da musst du durch. Okay. Ich sag’s. Jetzt.
»Aylin, ich finde es nicht richtig, dass du das Barbapapa-Familienbild abhängst.«
»Warum nicht?«
»Weil, äh … also … na ja, Barbapapa ist rosa – das wirkt erst mal schwul, okay. Aber guck mal, wie verliebt er Barbamama anschaut. Und außerdem: Welcher Schwule hat sieben Kinder? Da:Barbabo, Barbakus, Barbabella, Barbalala, Barbawum, Barbarix und … Mist, wie heißt noch die Orangefarbene? Egal, das ist eine absolut intakte klassische Familienstruktur.«
»Du hast recht. Ich hänge es trotzdem ab.«
»Okay, kein Problem.«
Herzlichen Glückwunsch, Daniel – du hast deinen Standpunkt tapferer verteidigt als Frodo den Ring der Macht gegen die Truppen von Mordor! Dieser Dialog kommt bestimmt als leuchtendes Beispiel eines brillanten rhetorischen Kunstgriffes in die Ruhmeshalle der Konfliktlösungsstrategien.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als Aylin mit meinen Bildern in Richtung Schlafzimmer geht.
»Ich verstecke deine Bilder unter dem Bett.«
»Nein, bitte nicht …«
»Nur zur Sicherheit.«
»Bitte geh da nicht rein.«
»Wieso nicht? Was ist denn?«
»Kann ich nicht sagen.«
»Und warum nicht?«
»Weil … ich es nicht sagen kann.«
»Weil du es nicht sagen willst .«
»Okay. Ich will es nicht sagen.«
»Und warum willst du es nicht sagen?«
»Das kann ich auch nicht sagen.«
»Nein, du willst es auch nicht sagen.«
»Okay.«
»Und warum willst du nicht sagen, warum du’s nicht sagen willst?«
»Wenn ich sage, warum ich’s nicht sagen will, kann ich’s auch gleich sagen.«
»Das überzeugt mich nicht.«
»Geh einfach nicht rein. Okay?«
»Tut mir leid, jetzt bin ich neugierig.«
Aylin öffnet die Tür und ist sprachlos. Ich seufze:
»Es sollte eigentlich meine Hochzeitsüberraschung sein.«
Ich habe das Schlafzimmer für die Hochzeitsnacht vorbereitet: Über dem nagelneuen Doppelbett hängt ein auf Leinwand gedrucktes Panoramabild der Hamburger Hallig (der Ort, an dem wir uns verlobt haben); an der gegenüberliegenden Wand hängen dreißig kleine Rähmchen mit Fotos aus Antalya – die Tage, in denen Aylin und ich uns ineinander verliebt haben; die Bettwäsche habe ich mit den Worten »Aylin & Daniel« sowie einem Foto des Porzellan-Pärchens von unserer Hochzeitstorte bedrucken lassen; die Hälfte des Kleiderschranks habe ich für Aylin leer geräumt, versehen mit einem Schild »Herzlich Willkommen, Aylins Klamotten«; auf Aylins Nachttisch stehen mehrere Wecker – weil Aylin gerne einen ausschaltet und dann weiterschläft – sowie ein Foto von uns vor dem Her Majesty’s Theatre mit dem Phantom-der-Oper- Plakat im Hintergrund (das Foto hat einer der Japaner gemacht, nachdem er wieder aufgewacht war). Außerdem Der Schatten des Windes , weil das Aylins Lieblingsbuch ist, eine Flasche Rescue- Tropfen, weil Aylin die nimmt, wenn sie nicht einschlafen kann, und ein Notizbuch mit teurem Einband und goldenem Füller, weil Aylin schon immer ihre Träume aufschreiben wollte.
Aylin sieht sich mit Tränen in den Augen im Zimmer um. Lange bleibt sie vor den Antalya-Fotos stehen und muss plötzlich lachen:
»Guck mal, da im Hintergrund ist die Russin, auf die du im Whirlpool gefallen bist.«
»Ja. Und da am Nachbartisch steht die Rosenverkäuferin, die ich nicht vertreiben konnte.«
Aylin umarmt mich fest.
»Danke, Daniel. Das ist unglaublich toll und süß. Ob wir nun verheiratet sind oder nicht – du bist mein Mann.«
Wir küssen uns. Dann fällt mein Blick auf das Bild der Hamburger Hallig, und ich habe eine Eingebung.
»Aylin, wie wär’s, wenn wir da heiraten?«
»Auf der Hamburger Hallig?«
»Ja. Ganz klein. Ganz intim.
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