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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Das bedeutet vermutlich, daß Amerikaner und amerikanische Einrichtungen gefährdet sind. Ich möchte, daß Sie die Vorarbeiten für die Nordirlandkonferenz im Weißen Haus abschließen und sich dann wieder um das Schwert von Gaza kümmern.«
    »Und wenn mich das nicht interessiert?«
    »Dann wird Ihre Arbeit in der Central Intelligence Agency trotz Ihres großen Erfolgs sehr bald beendet sein, fürchte ich.«
    Morton Dünne war für die Agency, was »Q« für Bonds Secret Service war. Als stellvertretender Leiter der Abteilung Technische Dienste stellte Dünne explodierende Füller und Minisender her, die in einer Gürtelschnalle Platz hatten. Als Absolvent des Massachusetts Institute of Technology hätte er in der Privatwirtschaft das Fünffache seines Beamtengehalts verdienen können, aber er blieb bei der CIA, weil ihn die Welt der Geheimdienste faszinierte. In seiner Freizeit restaurierte er alte Spionagekameras und Waffen im provisorischen Museum der Agency. Außerdem gehörte Dünne zu den weitbesten Konstrukteuren experimenteller Drachen. An Wochenenden war er an der Ellipse zu finden, wo er seine Schöpfungen um das Washington Monument fliegen ließ. Einmal hatte er einen mit einer Minikamera ausgerüsteten Drachen steigen lassen und jeden Quadratzentimeter des Südrasens des Weißen Hauses aufgenommen.
    »Sie haben eine Genehmigung dafür, nehme ich an«, sagte er vor seinem großen Bildschirm sitzend. Dünne war der typische Mix-Absolvent: schmächtig, blaß wie ein Höhlenbewohner, mit Nickelbrille, die auf seiner schmalen Nase ständig nach unten rutschte. »Ohne Genehmigung Ihres Chefs darf ich das nicht machen.«
    »Die bringe ich Ihnen später vorbei, aber ich brauche diese Fotos sofort.«
    Dünne legte seine Hände auf die Tastatur. »Name?«
    »Oktober. Der Mann, dessen Personenbeschreibung wir letzten Monat an Interpol weitergeleitet haben.«
    »Ja, richtig, ich erinnere mich«, sagte Dünne, während die Tasten unter seinen Fingern klapperten. Wenige Augenblicke später erschien das Phantombild von Oktobers Gesicht auf seinem Monitor. »Was soll ich damit tun?«
    »Ich vermute, daß er sich hat operieren lassen, um sein Gesicht zu verändern«, sagte Michael. »Die Operation dürfte ein Franzose namens Maurice Leroux durchgeführt haben.«

    »Dr. Leroux hat viele Möglichkeiten gehabt, sein Aussehen zu verändern.«
    »Können Sie mir ein paar davon zeigen?« fragte Michael.
    »Wie war's mit einer vollständigen Serie? Anderer Haaransatz, verschiedene Barte, einfach alles.«
    »Das dauert einige Zeit.«
    »Ich warte solange.«
    »Setzen Sie sich dort drüben hin«, sagte Dünne. »Und fassen Sie um Himmels willen nichts an, Osbourne.«
    Wenige Minuten nach Mitternacht hielt Monica Tylers Town Car mit Chauffeur in Georgetown am Hafen vor ihrer Wohnanlage Harbor Place. Ihr Leibwächter öffnete die Eingangstür und folgte Monica durch die Eingangshalle in den Aufzug. Er begleitete sie bis zu ihrer Wohnungstür und postierte sich davor, als sie hineinging. a Sie ließ Badewasser in die übergroße Wanne laufen, während sie sich auszog. In London war es bereits früher Morgen. Der als notorischer Frühaufsteher bekannte Direktor würde schon bald an seinem Schreibtisch sitzen. Sie glitt in die Wanne und entspannte sich im warmen Wasser. Nach dem Baden hüllte sie sich in einen flauschigen weißen Bademantel.
    Monica ging ins Wohnzimmer und setzte sich an ihren Mahagonischreibtisch. Vor ihr standen drei Telefone: ein Standardtelefon mit acht Leitungen, ein internes Telefon für Langley und ein abhörsicheres Spezialtelefon, an dem sie sprechen konnte, ohne Mithörer befürchten zu müssen. Sie sah auf die antike goldene Schreibtischuhr, ein Geschenk ihrer alten Wall-Street-Firma: 0.45 Uhr.
    Monica erinnerte sich an die Umstände - Zufälle, politische Allianzen und Hartnäckigkeit -, die sie an die Spitze der Central Intelligence Agency geführt hatten. Sie hatte die Yale Law School als Zweitbeste ihres Jahrgangs absolviert, aber statt in eine große Anwaltskanzlei einzutreten, hatte sie anschließend in Harvard Betriebswirtschaft studiert und war in die Wall Street gegangen, um Geld zu verdienen. Dort hatte sie Ronald Clark kennengelernt, einen Geldbeschaffer und Berater der Republikaner, der jeweils nach Washington wechselte, wenn ein Republikaner im Weißen Haus saß. Monica folgte Clark ins Finanzministerium, ins Handelsministerium, ins Außenministerium und ins Verteidigungsministerium. Als

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