Der Botschafter
Hotel Embassy Row setzte Delaroche seinen Kopfhörer ab. Er schaltete den Empfänger aus und verstaute ihn in der Reisetasche. Dann steckte er seine 9mm-Beretta ins Schulterhalfter und baute sich vor dem Wandspiegel auf, um seine Erscheinung zu begutachten. Er trug einen grauen, einreihigen Geschäftsanzug, den er hier gekauft hatte, ein weißes Hemd und eine gestreifte Krawatte. Im rechten Ohr trug er einen Ohrhörer aus durchsichtigem Plastikmaterial, wie ihn Sicherheitsbeamte in aller Welt benützten.
Er studierte sein Gesicht, fixierte es im Spiegel und sagte:
»Diplomatischer Sicherheitsdienst, Ma'am. Leider gibt's ein kleines Sicherheitsproblem.« Delaroche sprach mit ausgeprägt amerikanischem Akzent, den er von der Tonbandstimme eines Schauspielers gelernt hatte, die er sich auf See immer wieder angehört hatte. Er wiederholte diese Worte mehrmals, bis sie ganz natürlich klangen.
Rebecca kam aus dem Bad. Sie trug ein dunkelgraues Kostüm, dazu schwarze Strümpfe und schwarze Pumps.
Delaroche gab ihr eine geladene Beretta und zwei Reservemagazine, die sie mit der Waffe in ihrer schwarzen Umhängetasche verstaute.
Er hatte den Volvo in der Twentysecond Street in der Nähe der Massachusetts Avenue geparkt. Hinter dem Scheibenwischer klemmte ein Strafmandat. Delaroche warf es zusammengeknüllt in den Rinnstein und setzte sich ans Steuer.
Die Limousine hielt vor dem Hotel Mayflower in der Connecticut Avenue. Ein uniformierter Portier riß die Türen auf, und Douglas, Michael, Elizabeth und ein DSS-Agent stiegen aus. Sie betraten das Hotel und durchquerten die prächtige Hotelhalle, um in den Ballsaal zu gelangen. Gerry Adams sah Douglas hereinkommen und löste sich sofort aus einer Gruppe irischstämmiger Amerikaner, die gekommen waren, um ihn anzuhimmeln und ihm alles Gute zu wünschen.
»Danke, daß Sie gekommen sind, Botschafter Cannon.«
Adams sprach mit dem starken Akzent der Einwohner West Belfasts. Er war groß, hatte einen schwarzen Vollbart und trug eine Nickelbrille. Obwohl er robust wirkte, litt er unter den Nachwirkungen jahrelanger Haft und eines Mordanschlags der UVF, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte. »Mit Ihrem Besuch erweisen Sie uns eine große Ehre.«
»Danke für die Einladung«, sagte Douglas höflich, indem er Adams die Hand schüttelte. »Ich darf Ihnen meine Tochter und ihren Mann vorstellen: Elizabeth und Michael Osbourne.«
Adams musterte Michael prüfend und schüttelte ihm ohne große Begeisterung die Hand. Während Douglas und er sich kurz über die heutigen Gespräche im Weißen Haus unterhielten, gingen Elizabeth und Michael ein paar Schritte weiter, damit die beiden ungestört waren.
Dann legte Adams Michael plötzlich ohne Vorwarnung eine Hand auf die Schulter und sagte: »Haben Sie einen Augenblick Zeit für mich, Mr. Osbourne? Es geht um eine ziemlich wichtige Sache.«
Delaroche parkte in Georgetown an der Ecke Prospect/Potomac Street und stieg aus. Rebecca rutschte nach links und ließ das Fahrerfenster herunter. Delaroche beugte sich zu ihr hinunter. »Noch Fragen?«
Rebecca schüttelte den Kopf. Delaroche gab ihr einen Briefumschlag.
»Falls etwas schiefgeht - falls mir etwas zustößt oder wir getrennt werden -, fährst du dorthin. Ich komme nach, sobald ich kann.«
Er wandte sich ab und betrat einen Sandwichshop, in dem es von Studenten aus Georgetown wimmelte. Er kaufte sich einen Kaffee und eine Zeitung und setzte sich damit an einen Fenstertisch.
Rebecca war bereits nach Osten in Richtung Stadtmitte unterwegs.
»Bitte nehmen Sie Platz, Mr. Osbourne«, sagte Gerry Adams.
Er hatte Michael in einen großen Raum neben dem Ballsaal geführt. Seine beiden Leibwächter, die ihn nie aus den Augen ließen, entfernten sich außer Hörweite. Adams schenkte zwei Tassen Tee ein. »Milch, Mr. Osbourne?«
»Danke.«
»Ich habe eine Nachricht für Sie - von Ihrem Freund Seamus Devlin.«
»Devlin ist nicht mein Freund«, erwiderte Michael energisch.
Die Leibwächter kamen einen Schritt näher, um sich davon zu überzeugen, daß es kein Problem gab. Gerry Adams bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, sie sollten wie zuvor Abstand halten.
»Ich weiß, was in jener Nacht in Belfast passiert ist«, fuhr er fort. »Und ich weiß, warum es passiert ist. Wäre die IRA nicht gewesen, wären wir nicht in unserer heutigen Lage - kur z vor einem dauerhaften Frieden in Nordirland. Die IRA ist eine professionell arbeitende Organisation, die man nicht unterschätzen
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