Der Botschafter
selbst nicht recht.«
»Wer bist du, Jean-Paul?«
36
WASHINGTON
Am nächsten Morgen flogen Michael und Elizabeth mit Maggie und den Kindern von New York nach Washington. Auf dem National Airport trennten sie sich. Michael wurde von einem Chauffeur ins Weiße Haus gefahren, um William Bristol, dem nationalen Sicherheitsberater, einen Vortrag über Nordirland zu halten; Elizabeth, Maggie und die Zwillinge stiegen in ein Taxi, um sich nach Georgetown fahren zu lassen.
Elizabeth war seit über einem Jahr nicht mehr in ihrem aus roten Ziegeln erbauten Stadthaus in der N Street gewesen. Sie liebte dieses alte Haus, aber als sie die Stufen zur Haustür hinaufstieg, wurde sie plötzlich von schlimmen Erinnerungen überwältigt. Sie dachte an den langen Kampf mit ihrem eigenen Körper, um Kinder zu bekommen. Sie dachte an den Nachmittag, an dem Astrid Vogel hier war, um sie als Geisel zu nehmen, damit der Attentäter namens Oktober ihren Mann ermorden konnte.
»Ist Ihnen nicht gut, Elizabeth?« fragte Maggie.
Elizabeth überlegte, wie lange sie so dagestanden haben mochte - mit dem Schlüssel in der Hand, aber nicht imstande, die Haustür aufzusperren.
»Nein, nein, mir fehlt nichts, Maggie. Ich habe nur an etwas gedacht.«
Die Alarmanlage zirpte, als Elizabeth die Haustür aufstieß.
Sie gab den Ausschaltcode ein, und das Zirpen verstummte.
Obwohl Michael ihr Haus in eine Festung verwandelt hatte, würde sie sich hier nie mehr wirklich sicher fühlen.
Sie half Maggie, die Zwillinge ins Kinderzimmer zu bringen, und trug dann ihren Koffer nach oben ins Schlafzimmer. Als sie eben ihre Sachen aufhängen wollte, wurde an der Haustür geklingelt. Sie ging nach unten und sah durch den Spion in der Tür. Draußen stand ein großer braunhaariger Mann, der einen grauen Anzug und einen beigen Trenchcoat trug.
»Ja, bitte?« fragte Elizabeth durch die Sprechanlage.
»Mein Name ist Brad Heyworth, Mrs. Osbourne. Ich bin der zur Bewachung Ihres Hauses eingeteilte DSS-Agent.«
Elizabeth öffnete die Tür. »Diplomatie Security Service?«
fragte sie überrascht. »Aber mein Vater kommt erst in sechs Stunden aus London an.«
»Wir überwachen dieses Haus schon seit einigen Tagen, Mrs. Osbourne.«
»Warum?«
»Seit dem Vorfall in England sind wir besonders vorsichtig.«
»Sind Sie allein?«
»Vorläufig ja, aber sobald der Botschafter eintrifft, sind wir zu zweit.«
»Das ist beruhigend«, sagte sie lächelnd. »Wollen Sie nicht hereinkommen?«
»Nein, danke, Mrs. Osbourne, mein Platz ist draußen.«
»Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
»Nein, danke«, sagte er. »Ich wollte nur sagen, daß wir in der Nähe sind.«
»Danke, Agent Heyworth.«
Elizabeth schloß die Tür und schaute dem DSS-Mann nach, wie er die Treppe hinunterging und wieder in seinen Wagen stieg. Sie war froh, daß er da war. Sie ging wieder hinauf, setzte sich in Michaels ehemaligem Arbeitszimmer an den Schreibtisch und führte mehrere kurze Telefongespräche: mit dem Partyservice Ridgewell's, einer Agentur für Hausangestellte und ihrer Anwaltskanzlei in New York, um sich sagen zu lassen, wer alles für sie angerufen hatte. Dann verbrachte sie eine weitere Stunde damit, diese Leute zurückzurufen.
Maria, die Putzfrau, kam mittags. Elizabeth schlüpfte in einen bunten Jogginganzug aus Nylon und trat aus dem Haus. Sie lief die Stufen hinunter, winkte Brad Heyworth zu und trabte auf dem Klinkergehsteig der N Street davon.
Im Hotel Embassy Row hatte Delaroche das Schild Bitte nicht stören vor die Tür gehängt und doppelt abgesperrt. Seit fast eineinhalb Stunden hatte er Elizabeth Osbourne belauscht: wie sie telefonierte, mit den Zwillingen und dem Kindermädchen redete, mit dem zur Bewachung ihres Hauses eingeteilten DSS-Agenten sprach.
Er hörte eine Putzfrau namens Maria kommen, die mit starkem spanischem Akzent sprach - Südamerika, vermutete Delaroche: Peru, vielleicht Bolivien. Und er hörte Elizabeth Osbourne ankündigen, sie gehe jetzt joggen und sei in einer Stunde zurück. Er fuhr zusammen, als sie beim Verlassen des Hauses die Tür ins Schloß warf.
Ein paar Minuten später erschreckte ihn ein lautes Heulen, das wie ein Düsentriebwerk klang. Der Lärm war so ohrenbetäubend, daß Delaroche den Kopfhörer abnehmen mußte. Im ersten Augenblick fürchtete er, in Osbournes Haus habe sich irgendeine Katastrophe ereignet. Aber dann wurde ihm klar, daß das nur Maria gewesen war, die mit ihrem Staubsauger in die Nähe des Fensters gekommen
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