Der Botschafter
Er zielte aufs Heck des davonrasenden Saab und versuchte, das wilde Hupen um sich herum zu ignorieren.
Er hatte nur noch acht Schuß in seiner Pistole und kein Reservemagazin.
Er gab alle acht Schuß ab, bevor Delaroche auf die Zufahrt zur Brücke einbiegen konnte.
Sieben durchschlugen den Kofferraum und blieben im Rücksitz stecken.
Der achte traf den Benzintank, und der Saab explodierte.
Delaroche hörte die Explosion und spürte sofort die Hitze des brennenden Benzins. Um ihn herum bremsten andere Autos mit quietschenden Reifen. Ein junger Mann, der ein Sweatshirt der Redskins trug, kam angerannt und wollte Delaroche zu Hilfe kommen. Aber als er mit der Beretta auf seinen Kopf zielte, ergriff der junge Mann die Flucht und rannte in Richtung Francis Scott Key Park davon.
Delaroche sprang aus dem Wagen und sah Michael Osbourne, der auf ihn zugerannt kam.
Er hob seine Beretta und gab drei Schüsse ab.
Michael Osbourne ging hinter einem der stehenden Wagen in Deckung.
Delaroche setzte sich in Richtung Key Bridge in Bewegung, aber ein Auto, dessen Fahrer den mitten auf der Kreuzung stehenden brennenden Wagen ignorierte, raste auf ihn zu.
Delaroche konnte vor dem Aufprall nur noch hochspringen und wurde über die Windschutzscheibe geschleudert.
Dabei verlor er die Beretta, die scheppernd auf die Gegenfahrbahn rutschte.
Als Delaroche den Kopf hob, sah er Michael Osbourne auf sich zurennen. Er kam auf die Beine und versuchte wegzulaufen, aber sein rechter Knöchel gab nach, so daß er auf den Asphalt zurücksackte.
Er rappelte sich erneut auf und zwang sich, in Bewegung zu bleiben. Sein Knöchel fühlte sich an, als rieben sich dicht unter der Haut scharfkantige Glassplitter aneinander. Trotzdem schaffte Delaroche es, den Gehsteig der Key Bridge zu erreichen.
Dort stand ein Mann mit einem billigen Mountain Bike, der das Schauspiel neugierig beobachtete.
Delaroche setzte den Mann mit einem Handkantenschlag außer Gefecht und riß ihm das Mountain Bike weg.
Er schwang sich in den Sattel und versuchte in die Pedale zu treten, aber als er seinen rechten Fuß belastete, schrie er vor Schmerz auf. Also strampelte er nur mit dem linken Fuß, während der rechte lediglich die Kreisbewegung der Pedale mitmachte.
Er sah über die Schulter zurück. Michael Osbourne rannte hinter ihm her. Delaroche strampelte schneller, aber wegen seines Knöchelbruchs und der schlechten Qualität des Mountain Bikes schmolz sein anfänglicher Vorsprung stetig zusammen.
Delaroche fühlte sich völlig hilflos. Er hatte keine Waffe und als Fluchtfahrzeug nur ein minderwertiges Fahrrad. Und er war verletzt, was noch schlimmer war. Delaroche fühlte plötzlich nur noch Wut - Wut auf seinen Vater und Wladimir und alle anderen im KGB, die ihn zu einem Leben als Killer verdammt hatten. Wut auf sich selbst, weil er sich zu diesem Auftrag hatte zwingen lassen. Wut, weil es ihm wieder nicht gelungen war, Osbourne zu erledigen. Er fragte sich, woher Osbourne seine Identität gekannt hatte. Hatte Maurice Leroux ihn verraten, bevor er ihn in jener Nacht in Paris erschossen hatte? Hatte der Direktor ihn verraten? Oder hatte er die Intelligenz und den Einfallsreichtum dieses CIA-Offiziers, der sich geschworen hatte, ihn zu vernichten, erneut unterschätzt? Daß die Sache so endete - mit Delaroche auf einem klappernden Fahrrad, während Osbourne ihn zu Fuß verfolgte -, war fast lachhaft. Er war sich darüber im klaren, daß seine Fluchtchancen mit jeder Minute geringer wurden, selbst wenn es ihm gelingen sollte, Osbourne auch diesmal abzuhängen.
Er drehte sich nochmals um und sah, daß Osbourne den Abstand zwischen ihnen weiter verringert hatte. Er zwang sich dazu, mit beiden Beinen zu strampeln und die Schmerzen im rechten Knöchel zu ignorieren, während er überlegte, was er zu tun bereit war, um lebend von der Brücke herunterzukommen.
Michael steckte den Browning in sein Schulterhalfter und spurtete über die Brücke, wobei er kräftig mit den Armen pumpte. Einige Augenblicke lang hatte er wieder das Gefühl, an den Leichtathletik-Jugendmeisterschaften von Virginia teilzunehmen - am Endlauf über eine Meile. In der letzten Runde hatte Michael sich durch ein brillantes taktisches Manöver hinter den bis dahin Führenden geschoben, um ihn auf den letzten hundert Metern überholen zu können. Aber als sie auf die Zielgerade einbogen, hatte ihm der Mut gefehlt, die Schmerzen zu ertragen, die nötig gewesen wären, um hier zu siegen. Der
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