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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Rücken des anderen Jungen hatte ihn förmlich hypnotisiert - das Flattern seines Trikots im Wind, die sehnigen Muskeln seiner Schultern -, während er seinen Vorsprung stetig vergrößerte und das Zielband vor ihm zerriß. Und er erinnerte sich an seinen Vater, der über seine Niederlage so wütend gewesen war, daß er Michael nach dem verlorenen Rennen nicht einmal getröstet hatte.
    Der Abstand zu Oktober betrug nur noch zehn Meter.
    Michael war fast eine Meile gelaufen, seit er aus dem Haus gestürmt war. Seine Beine waren schwer, seine Muskeln waren von dem endlos langen Sprint verkrampft. Seine Arme brannten, und er schmeckte bei jedem Atemzug kupfrigen Blutgeschmack im Mund. Er hatte Oktober über viele Jahre hinweg mit Hilfe aller materiellen und technischen Ressourcen der Agency verfolgt, aber letztlich lief doch alles auf einen verzweifelten Spurt über die Key Bridge hinaus. Aber diesmal würde er die Schmerzen nicht scheuen. Diesmal würde er sich nicht vom Rücken seines Gegners hypnotisieren lassen. Michael brüllte mit in den Nacken geworfenem Kopf wie ein verwundetes Tier und krallte mit beiden Händen in die Luft, als wolle er sich damit vorwärtsziehen.
    Oktobers Vorsprung betrug kaum noch eineinhalb Meter.

    Michael setzte zu einem verzweifelten Sprung an und brachte ihn krachend zu Fall.
    Oktober blieb auf dem Rücken liegen, und Michael hockte auf seinem Bauch.
    Michael schlug ihm zweimal mit der Faust ins Gesicht, wobei Delaroche eine blutende Platzwunde am linken Backenknochen erlitt. Dann umschloß er mit beiden Händen seinen Hals und begann ihn zu würgen.
    Er war wie von Sinnen und zu keinem klaren Gedanken mehr fähig, während er Oktober die Luftröhre zusammendrückte und ihn wild anbrüllte. Trotzdem blieb der Gesichtsausdruck des Killers merkwürdig gelassen. Seine blauen Augen glitten über Michael hinweg, und auf seinen Lippen erschien ein vages Lächeln.
    Michael merkte, daß Oktober überlegte, wie er ihn am besten ermorden konnte. Er drückte noch fester zu.
    Oktober griff plötzlich mit der linken Hand in Michaels Haare. Er riß Michaels Kopf zu sich herunter und rammte seinen rechten Daumen in Michaels linke Augenhöhle.
    Michael schrie vor Schmerzen auf und lockerte seinen Würgegriff um Oktobers Hals. Der Attentäter gebrauchte seine Handkanten als Schlagwerkzeuge, die Michaels Schläfen zweimal rasch nacheinander trafen.
    Michael wäre beinahe ohnmächtig geworden. Er schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können, und merkte dann, daß er auf dem Rücken lag. Oktober hatte es irgendwie geschafft, sich unter ihm herauszuwinden.
    Michael rappelte sich mühsam auf. Oktober stand bereits - breitbeinig, mit erhobenen Händen, Michael starr fixierend. Im nächsten Augenblick holte er wie ein Kickboxer mit einem Fuß aus und traf Michael mit einem gewaltigen Tritt seitlich am Kopf.

    Michael torkelte vom Gehsteig rückwärts auf die Fahrbahn - vor einen heranrasenden städtischen Bus. Der Busfahrer hupte gellend. Mit einem Riesensatz war Michael wieder auf dem Gehsteig und sprang Oktober in die Arme.
    Der Attentäter duckte sich, nützte Michaels Schwung aus und hievte ihn übers Brückengeländer.
    Delaroche wartete auf das Geräusch, mit dem Michaels Körper über dreißig Meter tiefer ins Wasser klatschen würde, aber es blieb aus. Er trat vor und sah nach unten. Michael hatte es geschafft, sich mit einer Hand an die untere Querstrebe des Brückengeländers zu klammern. Michael, der Blut am Mund hatte, starrte zu Delaroche hinauf.
    Am einfachsten wäre es gewesen, so lange auf seine Hand zu treten, bis er loslassen mußte, aber aus einem nicht erklärlichen Grund schreckte Delaroche davor zurück. Er hatte immer rasch und lautlos gemordet; er war aus dem Nichts aufgetaucht und nach der Tat spurlos verschwunden. Einen Mann auf solche Weise umzubringen, kam ihm irgendwie barbarisch vor.
    Er beugte sich übers Geländer und sagte: »Lassen Sie mich laufen, dann helfe ich Ihnen.«
    »Fuck you«, sagte Michael mit einer Grimasse.
    »Das ist nicht gerade clever von Ihnen.« Delaroche griff durch die Stangen des Brückengeländers und bekam Michaels linkes Handgelenk zu fassen. »Greifen Sie nach oben, nehmen Sie meine Hand.«
    Michael spürte, daß seine Hand zu erlahmen begann.
    »Sie haben vorhin meinen Schwiegervater ermordet«, sagte er. »Sie haben versucht, meine Frau und mich zu ermorden. Sie haben Sarah ermordet.«
    »Nicht ich habe sie ermordet, Michael. Das waren

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