Der Botschafter
Sicherheitsmaßnahmen in Cannon Point jeden Monat mehrere tausend Dollar kosten. Die CIA hatte ihm angeboten, sich an den Kosten zu beteiligen, aber Douglas, dem die Geheimdienste immer suspekt gewesen waren, trug sie lieber allein. Michael folgte der kiesbestreuten Auffahrt durchs Grundstück und hielt vor dem Eingang des Haupthauses. Der Senator, der eine alte gelbe Öljacke trug, erwartete sie auf den Stufen vor der Haustür, während seine Retriever vor ihm herumtollten.
The New Yorker hatte Douglas Cannon einmal mit Perikles verglichen, und obwohl der Senator immer so tat, als sei ihm dieser Vergleich etwas peinlich, unternahm er nichts, um ihn zurückzuweisen. Er hatte ein riesiges Vermögen geerbt und frühzeitig erkannt, nur für dessen Vermehrung zu arbeiten, sei eine allzu deprimierende Aussicht. So widmete er sich seiner ersten Liebe, der Geschichte, lehrte an der Columbia University und schrieb Bücher. Seine große Wohnung an der Fifth Avenue war ein Treffpunkt für Dichter, Maler und Musiker. Als kleines Mädchen hatte Elizabeth dort Jack Kerouac, Huey Newton und einen exzentrischen kleinen Blonden mit Sonnenbrille kennengelernt, der Andy hieß. Erst Jahre später wurde ihr bewußt, daß das Andy Warhol gewesen war.
Der Watergate-Skandal zeigte Douglas, daß er nicht mehr nur am Spielfeldrand stehen, als ewiger Zuschauer auf den Rängen bleiben konnte. Er kandidierte in Manhattan-Mitte in einem liberalen Wahlbezirk, in dem die Demokraten eine sichere Mehrheit hatten, und zog 1974 als junger Reformer ins Abgeordnetenhaus ein.
Zwei Jahre später wurde er in den Senat gewählt. In seinen vier Amtsperioden hatte Senator Cannon als Vorsitzender des Streitkräfteausschusses, des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten und des Geheimdienstausschusses fungiert.
Douglas hatte schon immer etwas von einem Bilderstürmer an sich gehabt, aber seit er sich aus dem politischen Leben zurückgezogen hatte, waren seine Kleidung und seine ganze Lebensweise noch seltsamer als früher geworden. Er trug nur noch zerschlissene Cordhosen, ausgelatschte Bootsschuhe und Pullover, denen man wie ihrem Besitzer ihr Alter ansah. Da er sich einbildete, kalte Meeresluft sei der Schlüssel zur Langlebigkeit, zog er sich einen Bronchialkatarrh nach dem anderen zu, weil er den ganzen Winter hindurch segelte und auf gefrorenen Wegen endlose Wanderungen durch die Mashomack Preserve unternahm.
Elizabeth stieg aus, legte einen Zeigefinger auf die Lippen und begrüßte ihn mit einem Kuß auf die Wange. »Ganz leise, Daddy«, flüsterte sie. »Die beiden schlafen fest.«
Michael und Elizabeth hatten hier eine Suite mit Meerblick: Schlafzimmer, Bad und Wohnzimmer mit Fernseher. Das Schlafzimmer nebenan war in ein provisorisches Kinderzimmer verwandelt worden. Aus irgendeinem Aberglauben heraus hatte Elizabeth nicht zuviel planen wollen, bevor die Zwillinge nicht wirklich geboren waren, so daß in dem spartanisch eingerichteten Raum nur zwei Kinderbetten und ein Wickeltisch standen. Die Wände waren noch immer hellgrau und ebenso nackt wie der Fußboden. Damit das Zimmer nicht ganz so kahl war, hatte der Senator einen alten Schaukelstuhl aus Rohrgeflecht von der Veranda heraufgeholt. Maggie half Elizabeth, die Kinder ins Bett zu bringen, während Michael und Douglas unten am Kamin ein Glas Merlot tranken. Dort gesellte Elizabeth sich einige Minuten später zu ihnen.
»Wie geht's mit den beiden?« fragte Michael.
»Gut. Maggie bleibt noch ein paar Minuten bei ihnen sitzen, um sic her zu sein, daß sie weiterschlafen.« Elizabeth ließ sich auf die Couch fallen. »Bist du so lieb und schenkst mir ein großes Glas von eurem Wein ein, Michael?«
»Wie kommst du zurecht, Sweetheart?« fragte Douglas.
»Ich habe nicht geahnt, wie anstrengend alles sein würde.«
Sie nahm einen großen Schluck Merlot und schloß die Augen, als der Wein durch ihre Kehle floß. »Ohne Maggie wäre ich völlig aufgeschmissen.«
»Das ist ganz normal. Du hast auch eine Babyschwester und später ein Kindermädchen gehabt, obwohl deine Mutter nicht gearbeitet hat.«
»Sie hat gearbeitet, Daddy! Sie hat mich aufgezogen und drei Haushalte geführt, während du in Washington gewesen bist.«
»Kein guter Zug, Douglas«, murmelte Michael.
»Du weißt, was ich meine, Elizabeth. Deine Mutter hat auch gearbeitet, aber nicht in einem Büro. Ich weiß offen gesagt nicht, ob Mütter überhaupt arbeiten sollten. Kinder brauchen ihre Mütter.«
»Ich glaube, ich
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