Der Botschafter
vorbeiröhrten. Keiner der Insassen winkte zurück.
Die Gesellschaft für internationale Entwicklung und Zusammenarbeit war eine rein private Organisation, die keine fremden Geldspenden akzeptierte und nur streng ausgewählte neue Mitglieder aufnahm. Ihren offiziellen Sitz hatte sie in Genf, in einem kleinen Büro mit einem geschmackvollen Messingschild an einer schlichten Tür, hinter der sich eine diskrete Schweizer Bank hätte befinden können, was auch oft vermutet wurde.
Trotz des wohltätig klingenden Namens war die Gesellschaft, wie ihre Mitglieder sie einfach nannten, keineswegs ein altruistischer Orden. Sie war in den Jahren unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Kriegs gegründet worden. Zu ihren Mitgliedern gehörten mehrere aktive und ehemalige Angehörige westlicher Geheim-und Sicherheitsdienste, Waffenhersteller und Waffenhändler und auch Gangsterbosse wie die Chefs der russischen und sizilianischen Mafia, südamerikanischer Drogenkartelle und asiatischer Verbrecherbanden.
Alle Entscheidungen über die Politik der Gesellschaft traf der achtköpfige Exekutivrat. Ihr Geschäftsführer war ein ehemaliger Chef des britischen Geheimdiensts, der legendäre »C« vom MI6. Er war nur als »der Direktor« bekannt und wurde nie mit seinem wahren Namen angesprochen. Als erfahrener Außendienstmann, der sich seine Sporen in Berlin und Moskau verdient hatte, überwachte der Direktor die Verwaltung der Gesellschaft und koordinierte ihre Aktionen von seiner mit modernster Technik geschützten Villa im Londoner Wohnviertel St. John's Wood aus.
Das Glaubensbekenntnis der Gesellschaft verkündete, daß es auf der Welt mit dem Ende des Ost-West-Konflikts gefährlicher geworden war. Der Kalte Krieg hatte für Stabilität und Klarheit gesorgt; die neue Weltordnung hatte zu Aufruhr und Unklarheit geführt. Große Nationen waren phlegmatisch geworden; große Armeen waren kastriert worden. Daher war die Gesellschaft bemüht, durch Geheimoperationen ständige, kontrollierte globale Spannungen zu erzeugen. Und sie verstand es, dabei auch riesige Gewinne für ihre Mitglieder und Investoren zu erzielen.
In letzter Zeit hatte der Direktor versucht, die Rolle und die Aktivitäten der Gesellschaft auszubauen. Er hatte sie äußerst raffiniert zu einem Geheimdienst für Geheimdienste gemacht - zu einer ultrageheimen Einsatzabteilung, die jeden Auftrag übernehmen konnte, der einem staatlichen Diens t zu riskant oder unappetitlich erschien.
Der Direktor und sein Mitarbeiterstab hatten umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Villa stand am Ende des Tals, von einem Elektrozaun umgeben, auf einem kleinen Hochplateau. Die Wüste rund um die Villa war ein felsiges Niemandsland, das durch Dutzende von Überwachungskameras und Bewegungsmelder kontrolliert wurde. Schwerbewaffnete Wachmänner des Sicherheitsdiensts der Gesellschaft, lauter ehemalige Angehörige der britischen Elitetruppe SAS, patrouillierten auf dem Gelände. Störsender unterbanden jeden Versuch, das Treffen aus größeren Entfernungen abzuhören. Bei Sitzungen des Exekutivrats wurden niemals Klarnamen benutzt, deshalb hatte jedes Mitglied einen Decknamen erhalten: Rodin, Monet, van Gogh, Re mbrandt, Rothko, Michelangelo und Picasso.
Die acht verbrachten den Tag an dem großen Swimmingpool und entspannten sich in der kühlen, trockenen Wüstenluft. In der Abenddämmerung gab es Drinks auf der weiten Steinterrasse, auf der Propanstrahler die nächtliche Kühle wegheizten, und danach als einfaches Abendessen marokkanischen Kuskus.
Pünktlich um Mitternacht eröffnete der Direktor die Sitzung.
Eingangs referierte der Direktor fast eine Stunde lang über die finanzielle Lage der Gesellschaft. Er verteidigte seine Entscheidung, die Organisation von einem bloßen Katalysator für globale Instabilität in eine Geheimarmee umzuwandeln.
Gewiß, er hatte damit seine Befugnisse überschritten, die ihm die Statuten einräumten, aber dafür war es ihm in dieser kurzen Zeitspanne gelungen, der Gesellschaft viele Millionen Dollar Risikokapital zu verschaffen, das sich nun zweckmäßig einsetzen ließ.
Die acht Mitglieder des Exekutivrats quittierten seine Ausführungen wie bei einer beliebigen Vorstandssitzung mit höflichem Beifall. Am Konferenztisch saßen Waffenhändler und Rüstungsindustrielle, deren Umsätze drastisch zurückgegangen waren, Lieferanten von Chemie-und Atomtechnologie, die ihre Produkte den Streitkräften von
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