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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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höre nicht recht!« rief Elizabeth lachend aus.
    »Douglas Cannon, das große liberale Vorbild, ist der Meinung, Mütter sollten nicht arbeiten, sondern zu Hause bei ihren Kindern bleiben. Wenn die National Organization for Women das erst mal mitbekommt ... Mein Gott, unter dieser unverbesserlich liberalen Schale schlägt also doch das Herz eines Konservativen, der die alten Familienwerte hochhält.«
    »Und was ist mit Michael?« fragte Douglas. »Er lebt im Ruhestand. Hilft er nicht mit?«
    »Ich spiele nur jeden Nachmittag eine Partie Boccia mit den anderen Jungs aus dem Dorf.«
    »Michael hat eine wunderbare Art mit Kindern«, antwortete Elizabeth. »Aber entschuldigt, wenn ich das ehrlich sage ... Väter haben auch ihre Grenzen.«
    »Und was soll das wieder heißen?« fragte Douglas.
    Bevor Elizabeth antworten konnte, klingelte das Telefon.
    »Durch den sprichwörtlichen Gong gerettet«, stellte Michael fest.
    Elizabeth nahm den Hörer ab und sagte: »Hallo.« Sie hörte einen Moment aufmerksam zu, dann sagte sie: »Ja, er ist da.
    Augenblick, bitte.« Sie hielt Douglas den Hörer hin und bedeckte die Sprechmuschel mit einer Hand. »Für dich, Daddy.
    Ein Anruf aus dem Weißen Haus.«
    »Was zum Teufel will das Weiße Haus an einem Freitagabend um zehn Uhr von mir?«
    »Der Präsident möchte dich sprechen.«
    Douglas stemmte sich hoch, wobei sein Gesichtsausdruck eine Mischung aus Neugier und Gereiztheit ze igte, und kam mit dem Weinglas in der Hand zu Elizabeth.
    »Douglas Cannon ... Gut, ich warte ...«
    Er hielt die Sprechmuschel zu und sagte: »Sie müssen den Dreckskerl erst mit mir verbinden.«
    Elizabeth und Michael kicherten lautlos. Die persönliche Animosität zwischen den beiden Männern war in Washington legendär. Früher waren sie die einflußreichsten Mitglieder des Streitkräfteausschusses gewesen. Douglas hatte diesen Ausschuß mehrere Jahre lang geleitet, und Beckwith war als ranghöchster Vertreter der Repub likaner sein Stellvertreter gewesen. Nachdem die Republikaner im Senat wieder die Mehrheit errungen hatten, hatten die beiden Männer ihre Plätze getauscht., Als Douglas sich aus dem politischen Leben zurückgezogen hatte, waren Beckwith und er so zerstritten gewesen, daß sie kaum mehr miteinander gesprochen hatten.
    »Guten Abend, Mr. President«, sagte Douglas jovial und so laut, als erstatte er auf dem Paradeplatz Meldung.
    Maggie tauchte oben an der Treppe auf und zischte: »Leise, sonst wachen die Kinder auf.«
    »Er telefoniert mit dem Präsidenten«, flüsterte Elizabeth hilflos.
    »Sagen Sie ihm, daß er das etwas leiser tun soll«, verlangte Maggie, bevor sie kehrtmachte und ins Kinderzimmer zurückging.
    »Danke, ausgezeichnet, Mr. President«, sagte Douglas gerade.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    Douglas hörte kurz zu, ohne selbst etwas zu sagen, und fuhr sich dabei geistesabwesend mit einer Hand durch sein dichtes graues Haar.
    »Nein, nein, das wäre durchaus kein Problem, Mr. President. Es wäre mir im Gegenteil ein Vergnügen ... Natürlich ... Ja, Mr. President ... Also gut, auf Wiedersehen bis dahin.«
    Douglas legte den Hörer auf und sagte: »Beckwith will etwas mit mir bereden.«
    »Was denn?« fragte Michael.
    »Das hat er nicht gesagt. Das ist typisch seine Art.«
    »Wann mußt du nach Washington?« fragte Elizabeth.
    »Überhaupt nicht«, antwortete Douglas. »Der Hundesohn kommt am Sonntag morgen nach Shelter Island.«


    TAFRAOUTE, MAROKKO
     
    Die verschneiten Gipfel des Atlasgebirges leuchteten, als die Range-Rover-Kolonne auf der mit Schlaglöchern übersäten Piste zu der neuen Villa am Ende des Tals hinauffuhr. Die Geländewagen waren identisch: schwarz mit getönten Scheiben, damit die Insassen nicht zu sehen waren. Jeder dieser Männer war aus einem anderen Teil der Erde nach Marokko gekommen: aus Südamerika, den Vereinigten Staaten, dem Nahen Osten und Westeuropa. Sie alle würden nach nur sechsunddreißig Stunden wieder abreisen, wenn die Konferenz zu Ende war.
    In Tafraoute hielten sich wie immer um diese Jahreszeit nur wenige Fremde auf - ein Bergsteigerteam aus Neuseeland und eine Gruppe ältlicher Hippies aus Berkeley, die in die Berge gezogen waren, um zu beten und Haschisch zu rauchen -, und die Range-Rover-Kolonne zog auf ihrer raschen Fahrt das Tal entlang neugierige Blicke auf sich. K inder in grellbunten Gewändern standen am Rand der Piste und winkten aufgeregt, als die Geländewagen in einer graugelben Staubwolke an ihnen

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