Der Botschafter
übernehmen, verdammt noch mal! Es fällt mir schwer, ständig nur am Spielfeldrand zu sitzen. Könnte ich dazu beitragen, Nordirland Frieden zu bringen, wäre das viel mehr wert als alles, was ich jemals im Kongreß erreicht habe.«
»Das klingt ganz so, als hättest du dich schon entschieden, Daddy.«
»Das habe ich, aber ich möchte deinen Segen.«
»Was ist mit deinen Enkeln?«
»Meine Enkel sind noch ein halbes Jahr nicht imstande, mich von einem meiner Hunde zu unterscheiden.«
»Aber du mußt noch etwas anderes bedenken, Douglas«, warf Michael ein. »Vor kaum einem Monat hat eine neue protestantische Terrororganisation bewiesen, daß sie bereit und fähig ist, wichtige Ziele anzugreifen.«
»Mir ist klar, daß dieser Job nicht ungefährlich ist. Offen gesagt wüßte ich gern, welche Gefahren mir drohen können - und ich möchte eine Beurteilung, auf die ich mich verlassen kann.«
»Was willst du damit sagen, Daddy?«
»Damit will ich sagen, daß mein Schwiegersohn früher bei der Central Intelligence Agency gearbeitet und Terrorgruppen infiltriert hat. Er versteht etwas von diesem Geschäft und hat ausgezeichnete Verbindungen. Ich möchte, daß er seine Verbindungen nutzt, um herauszufinden, mit welchen Leuten ich es zu tun habe.«
»Dazu muß ich nur ein paar Tage nach London«, sagte Michael. »Hin und zurück.«
Elizabeth zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch an die Decke. »Ja, ich erinnere mich noch an das letzte Mal, als du das gesagt hast.«
8
MYKONOS • KAIRO
Die weiße Villa klebte wie ein Schwalbennest an den Felsen von Kap Mavros über der Einfahrt zur Panormosbucht. Sie hatte fünf Jahre lang leergestanden und war in dieser Zeit nur an einen Clan junger britischer Börsenmakler vermietet worden, die jeden August für drei Besäufniswochen die Insel unsicher machten. Die Vorbesitzer, einen amerikanischen Schriftsteller und seine schöne mexikanische Frau, hatte der ewige Wind vertrieben. Sie hatten ihre Villa Stavros, dem bekanntesten Immobilienmakler an der Nordküste von Mykonos, anvertraut und waren in die Toskana geflüchtet.
Den Franzosen namens Delaroche - zumindest hielt Stavros ihn für einen Franzosen - schien der Wind nicht zu stören. Er war im vorigen Winter mit dick verbundener rechter Hand nach Mykonos gekommen und hatte die Villa nach nur fünfminütiger Besichtigung gekauft. Seinen Glückstreffer hatte Stavros am selben Abend mit zahllosen Runden Wein und Ouzo - natürlich zu Ehren des Franzosen - für die Stammgäste der Taverne in Ano Mera gefeiert. Von diesem Augenblick an war der geheimnisvolle Monsieur Delaroche der beliebteste Mann an der Nordküste von Mykonos, obwohl ihn außer Stavros noch niemand persönlich gesehen hatte.
Binnen weniger Wochen nach der Ankunft des Franzosen wurde auf Mykonos viel darüber spekuliert, wovon er eigentlich seinen Lebensunterhalt bestritt. Er malte göttlich, aber als Stavros ihm anbot, eine Ausstellung seiner Gemälde in der Galerie eines Freundes in Chora zu organisieren, erklärte ihm der Franzose, seine Arbeiten seien nicht zu verkaufen.
Delaroche raste mit seinem Rennrad wie ein Dämon über die Insel, aber als Kristos, der Besitzer der Taverne in Ano Mera, ihn für den dortigen Club anzuwerben versuchte, sagte der Franzose, er fahre lieber allein. Manche vermuteten, er stamme aus einer reichen Familie, aber er erledigte alle Reparaturen an der Villa selbst und war in den Geschäften im Dorf als sparsamer Kunde bekannt. Er hatte nie Besuch, gab keine Parties und hatte keine Freundin, obwohl viele der einheimischen Mädchen ihm gern gefällig gewesen wären. Sein Tagesablauf hatte etwas von der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks an sich. Er fuhr mit seinem italienischen Rennrad, er malte seine Bilder, er kümmerte sich um seine vom Wind umbrauste Villa.
An den meisten Tagen war er in der Abenddämmerung zu sehen, wie er bei Linos auf den Felsen saß und übers Meer hinausstarrte. Der Sage nach hatte Poseidon dort Ajax den Kleinen wegen der Vergewaltigung Kassandras vernichtet.
Delaroche hatte tagsüber auf Syros gemalt. Als an diesem Abend die Sonne im Meer versank, kam er mit der Fähre nach Mykonos zurück. Er stand auf dem Vorderdeck und rauchte eine Zigarette, als das Schiff in die Korfosbucht einlief und in Chora anlegte. Er wartete, bis alle von Bord waren, bevor er selbst an Land ging.
Für Tage, an denen es für Radtouren zu kalt und regnerisch war, hatte er sich einen gebrauchten Volvo Kombi
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