Der Botschafter
durchgeführt hatte. Die Schußwunde hatte eine häßliche wulstige Narbe zurückgelassen. Er konnte viel tun, um sein Aussehen zu verändern - sich einen Bart stehen lassen, eine Mütze und eine Sonnenbrille tragen, sich die Haare färben -, aber an der Narbe ließ sich nichts ändern; er konnte sie nur verbergen.
Delaroche gab plötzlich Vollgas, raste mit dem Motorroller die Straße entlang und zo g eine lange Staubfahne hinter sich her.
Er lenkte geschickt um die drei Hindernisse herum. Dann griff er unter seinen linken Arm, zog die Pistole heraus und nahm das näher kommende Ziel ins Visier. Im Vorbeirasen gab er drei Schüsse darauf ab.
Delaroche bremste, wendete und fuhr zurück, um die Melone zu inspizieren.
Keiner der drei Schüsse hatte getroffen.
Mit einem halblauten Fluch ging Delaroche den ganzen Ablauf nochmals durch und versuchte festzustellen, warum er nicht getroffen hatte. Er betrachtete seine Hände. Er hatte früher nie Handschuhe getragen und konnte sich auch jetzt nicht damit anfreunden: Sie machten seine Hände weniger empfindlich und erschwerten es seinem Zeigefinger, den Druckpunkt am Abzug zu finden. Er zog die Handschuhe aus, steckte die Beretta ins Schulterhalfter zurück, fuhr wieder zum Ausgangspunkt und wendete.
Dann gab er wieder Vollgas und umkurvte die Melonen auf der Straße mit voller Geschwindigkeit. Er zog seine Beretta und schoß im Vorbeifahren auf das Ziel. Diesmal zerplatzte es in einem Schauer aus blaßgelben Melonenstücken.
Delaroche raste davon.
Achmed Hussein residierte in einem gedrungenen dreistöckigen Apartmentgebäude in Ma'adi, einem staubigen Vorort am Nil, einige Kilometer südlich der Innenstadt von Kairo. Hussein war kleinwüchsig, kaum einen Meter fünfundsechzig groß, und schmächtig. Er trug sein Haar ziemlich kurz und seinen Bart als äußeres Zeichen der Frömmigkeit unfrisiert lang. Sein Apartment, in dem er alle Mahlzeiten einnahm und Besucher empfing, verließ er nur, um fünfmal am Tag in die Moschee auf der anderen Straßenseite zu gehen und zu beten. Manchmal trank er in dem Kaffeehaus neben der Moschee noch ein Glas Tee, aber meistens drängte seine aus Amateuren bestehende Leibwache ihn dazu, schnell in die Wohnung zurückzukehren. Manchmal quetschten die Männer sich für die kurze Fahrt zur Moschee in einen dunkelblauen Fiat; manchmal gingen sie zu Fuß. Das stand alles in dem Dossier.
Delaroche trat seine Reise nach Kairo drei Tage später an einem bewölkten, fast windstillen Morgen an. Er trank seinen Kaffee auf der Terrasse über Kap Mavros mit Blick aufs nur leicht bewegte Meer, fuhr dann mit dem Volvo nach Chora und ließ ihn auf dem Parkplatz am Hafen stehen. Er hätte direkt nach Athen fliegen können, aber er wollte lieber mit der Fähre nach Paros übersetzen und von dort aus fliegen. Er hatte es nicht eilig und wollte in aller Ruhe prüfen, ob er etwa beschattet wurde.
Als das Schiff aus der Korfosbucht auslief und die kleine Insel Delos passierte, schlenderte er über die Decks, beobachtete unauffällig seine Mitreisenden und merkte sich ihre Gesichter.
Auf Paros nahm Delaroche ein Taxi vom Fährhafen zum Flugplatz. Dort lungerte er in einer Telefonzelle, am Zeitungsstand und in einem Café herum, während er die Gesichter in seiner Nähe kontrollierte. Als er die Maschine nach Athen bestieg, war niemand an Bord, der schon auf der Fähre gewesen war. Delaroche lehnte sich zurück und genoß den kurzen Flug, indem er das tief unter ihm liegende graugrüne winterliche Meer betrachtete.
Er verbrachte den Nachmittag in Athen, dessen berühmteste Baudenkmäler er besichtigte, und flog am frühen Abend nach Rom weiter. Dort nahm er sich in einem kleinen Hotel in einer Seitenstraße der Via Veneto unter dem Namen Karel van der Stadt ein Zimmer und begann Englisch mit holländischem Akzent zu radebrechen.
In Rom war es kalt und regnerisch, aber da er Hunger hatte, lief er im Nieselregen zu einem guten Restaurant, das er in der Via Borghese kannte. Der Ober servierte ihm Rotwein und verschiedene Vorspeisen: Mozzarella mit Tomaten, gebratene Auberginen, in Olivenöl eingelegte Peperoni, Omelett mit Schinken. Nach diesen Vorspeisen trat der Ober an seinen Tisch und fragte einfach:
»Fisch oder Fleisch?« Delaroche aß Seebarsch mit Salzkartoffeln und Gemüse.
Nach dem Abendessen ging er ins Hotel zurück. Er setzte sich an den kleinen Schreibtisch, schaltete seinen Laptop ein, loggte sich ins Internet ein und lud eine
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