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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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seine Hand den Griff seiner Pistole, einer deutschen Walther.
    Von seinem Beobachtungsposten auf der Parkbank aus konnte der Mann die Falls Road genau überblicken: die Sinn-Fein-Zentrale, in der die Zielperson jeden Tag arbeitete, und die Celtic Bar, in der sie jeweils am Spätnachmittag trank.
    Dillon spricht um siebzehn Uhr auf einer Bürgerversammlung in Andersontown, hatten seine Führungsoffiziere ihm gesagt.
    Das bedeutet, daß er heute abend nicht viel Zeit hat. Er wird die Zentrale um sechzehn Uhr dreißig verlassen und in die Celtic Bar gehen, um rasch ein Bier zu trinken.
    Die Eingangstür der Sinn-Fein-Zentrale wurde geöffnet. Für einige Augenblicke fiel Licht aus dem Gebäude auf den regennassen Gehsteig. Black Sheep erkannte die Zielperson: Eamonn Dillon, den nach Gerry Adams und Martin McGuinness dritten Mann in der Führungsspitze der Sinn Fein, zu deren Verhandlungsteam bei den Friedensgesprächen er gehört hatte.
    Und auch ein bekannt guter Familienvater mit Frau und zwei Kindern, dachte Black Sheep. Er verdrängte dieses Bild wieder.
    Für solche Gedanken war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.
    Dillon wurde von einem Leibwächter begleitet. Die Tür fiel wieder ins Schloß, und die beiden Männer gingen die Falls Road nach Westen entlang.
    Black Sheep warf seine Zigarettenkippe weg, stand auf und durchquerte den Park. Er stieg eine Treppe mit wenigen Stufen hinauf und blieb an der Kreuzung Falls/Grosvenor Road stehen.
    Er drückte auf den Knopf der Fußgängerampel und wartete gelassen darauf, daß die Ampel von Rot auf Grün umsprang.
    Dillon und sein Leibwächter waren noch immer etwa hundert Meter von der Celtic Bar entfernt. Die Ampel sprang um. Auf der Falls Road waren keine britischen Soldaten unterwegs, nur die beiden, die in der Nähe der fußballspielenden Jungen unten im Park standen. Als Black Sheep die andere Straßenseite erreichte, ging er nach Osten weiter und befand sich so auf Kollisionskurs zu Dillon und seinem Leibwächter.
    Er ging jetzt schneller, hatte den Kopf gesenkt und hielt den Griff seiner Walther mit der rechten Hand umklammert. Er sah auf, um Dillons Position zu kontrollieren, und senkte sofort wieder den Kopf. Dreißig, höchstens fünfunddreißig Meter. Er dachte an die protestantischen Schulkinder, die auf der Great Victoria Street Doughnuts gegessen hatten.
    Ich tu's für euch. Ich tu's für Gott und Ulster.
    Er zog seine Walther, zielte auf den Leibwächter und drückte zweimal ab, bevor der Mann seine eigene Waffe aus dem Schulterhalfter unter seinem Regenmantel ziehen konnte. Die Schüsse trafen seinen Oberkörper und ließen ihn auf dem regennassen Pflaster zusammenbrechen.
    Black Sheep wechselte das Ziel und hatte nun Eamonn Dillons Gesicht im Visier. Er zögerte eine Zehntelsekunde. Das konnte er nicht, nicht ins Gesicht. Er senkte seine Pistole etwas und drückte zweimal ab.
    Die Schüsse durchschlugen Dillons Herz.
    Er fiel rückwärts auf den Gehsteig, wo er mit einem Arm über den blutbedeckten Oberkörper seines Leibwächters geworfen liegenblieb. Black Sheep setzte die Mündung der Walther an Dillons Schläfe und gab einen letzten Schuß ab.
    Der zweite Akt spielte sich genau im selben Augenblick hundert Meilen weiter südlich in Dublin ab, wo ein kleiner Mann im Dauerregen auf einem Fußweg durchs St. Stephen's Green hinkte. Sein Deckname war Master. Er hätte für einen Studenten des benachbarten Trinity Colleges gelten können, was beabsichtigt war. Er trug eine Tweedjacke mit hochgeklapptem Kragen und eine abgewetzte ausgebeulte Cordhose. Er hatte die dunklen Augen und den struppigen Vollbart eines frommen Moslems, der er nicht war. In der rechten Hand trug er eine vollgepackte Aktentasche, die so alt war, daß sie mehr nach Moder als nach Leder roch.
    Er erreichte die Kildare Street und kam am Eingang des Hotels Shelbourne vorbei, der mit Statuen von nubischen Prinzessinnen und ihren Sklaven geschmückt war. Er hielt den Kopf gesenkt, als er sich durch eine Gruppe von Touristen drängte, die zum Tee in der Lord Mayor's Lounge wollten.
    Als er dann die Molesworth Street erreichte, war es fast unmöglich, weiter so zu tun, als sei die Aktentasche, die an seinem rechten Arm hing, nicht anomal schwer. Seine Schultermuskeln brannten, und er spürte Feuchtigkeit unter seinen Armen. Vor ihm ragte der mächtige Bau der Nationalbibliothek auf. Er hastete hinein und durchquerte die Eingangshalle, in der in Vitrinen einige Manuskripte von George Bernard

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