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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Entscheidung bei den Briten. Würden wir versuchen, Druck auf sie aus zuüben, würde es ihnen nicht gefallen - so wenig wie uns, wenn die Rollen vertauscht wären.«
    »Dann lassen Sie's mich unauffällig versuchen.«
    »Graham Seymour?«
    Michael nickte. Wheaton tat so, als denke er sorgfaltig darüber nach.

    »Also gut, vereinbaren Sie morgen ein Treffen mit ihm. Aber dann scheren Sie sich gefälligst zum Teufel. Ich will Sie nicht mehr hier haben.« Wheaton machte eine Pause, während er Michaels Gesicht prüfend betrachtete. »Vielleicht ist's ohnehin besser, wenn Sie noch einen Tag länger bleiben. Ich möchte Ihrer Frau nicht zumuten, Sie so zu sehen.«
    Michael ging früh ins Bett, fand aber keinen Schlaf. Sobald er die Augen schloß, liefen die Ereignisse in seinem Kopf wie ein Film ab: die Prügel auf dem Rücksitz des Wagens, Devlins ironisch überlegenes Lächeln, Maguires gräßlich zugerichtetes Gesicht. Er stellte sich seinen Agenten vor: an den Stuhl gefesselt, mit zerschlagenem Gesicht, bis zur Unkenntlichkeit mißhandelt. Zweimal stolperte er ins Bad und mußte sich heftig übergeben.
    Er erinnerte sich an Devlins Worte.
    Ich habe Kevin Maguire nicht auf dem Gewissen ... Sie haben ihn umgebracht.
    Sein Körper tat überall weh, wo ihn die Schläge getroffen hatten. Keine Lage war so bequem, daß Michael darin hätte Schlaf finden können. Aber sobald er anfing, sich selbst zu bemitleiden, dachte er wieder an Maguire und seinen elenden, demütigenden Tod.
    Michael schluckte Tabletten gegen die Schmerzen und schließlich Tabletten, um schlafen zu können. Er hatte die ganze Nacht lang Alpträume, aber in seinen Träumen war es Michael, der Kevin Maguire mißhandelte, und Michael, der ihm eine Kugel in den Hinterkopf schoß.
    »Ein prachtvolles Veilchen hast du da«, sagte Graham Seymour am nächsten Vormittag.
    »Schön, nicht wahr?«
    Michael setzte seine Sonnenbrille wieder auf, obwohl der Himmel wolkenverhangen war. Die beiden Freunde schlenderten einen Fußweg entlang, der über den Parliament Hill in Hampstead Heath führte. Michael mußte rasten, deshalb setzten sie sich auf eine Bank. Links von ihnen ragte der Highgate Hill in den Nebel auf. Vor ihnen, jenseits der Heide, breitete sich das Stadtzentrum von London aus. In der Ferne erkannte Michael die Kuppel der St.-Pauls-Kathedrale. Um sie herum ließen Kinder bunte Drachen steigen, während sie miteinander sprachen.
    »Ich kann noch immer nicht glauben, daß du Seamus Devlin wirklich eine Gerade verpaßt hast.«
    »Ich auch nicht, aber es ist verdammt befriedigend gewesen.«
    »Weißt du, wie viele Leute ihm liebend gern eine verpassen würden?«
    »Ich vermute, daß das eine lange Schlange wäre.«
    »Eine sehr lange Schlange, Schätzchen. Hat's weh getan?«
    »Ihm oder mir?«
    »Dir«, sagte Graham und rieb sich unwillkürlich eine lange, knochige Hand mit der anderen.
    »Ein bißchen.«
    »Das mit Maguire tut mir leid.«
    »Er ist ein verdammt guter Agent gewesen.« Michael zündete sich eine Zigarette an. Der Rauch kratzte im Hals, und als er husten mußte, drückte er mit schmerzverzerrtem Gesicht eine Hand gegen seine angebrochenen Rippen. »Was denkt man bei euch im Thames House? Werdet ihr das Objekt überwachen?«
    »Die oberste Etage ist ein bißchen ungläubig, um es ehrlich zu sagen«, antwortete Graham. »Außerdem ist sie wegen des Verlusts von Maguire ziemlich sauer.«
    »Wheaton hält das Ganze für eine Falle - er glaubt, daß die IRA ein paar Geheimdienstler ermorden will.«
    »Typisch Wheaton! So würde er's nämlich machen.«
    »Ich halte die Informationen für zutreffend«, sagte Michael.

    »Devlin hat gewußt, daß wir skeptisch sein würden. Deshalb hat er die Begegnung arrangiert - um zu beweisen, daß es ihm ernst ist.«
    »Wahrscheinlich hast du recht«, bestätigte Graham. »Ich werde versuchen, die Sache unauffällig aufs richtige Gleis zu setzen. Vielleicht fliege ich selbst nach Ulster und leite die Überwachung. Ich brauche einen kurzen Urlaub von Helen. Sie ist in einer neuen Phase - Retro-Punk. Sie trägt ihr Haar in wild gefärbten Stacheln und hört nur noch die Clash und die Sex Pistols.«
    »Auch das geht irgendwann vorüber«, sagte Michael tröstend.
    »Ja, ich weiß, aber ich fürchte, daß die nächste Phase noch schlimmer wird.«
    Michael lachte zum erstenmal seit vielen Tagen.
    In Cannon Point breitete Elizabeth zwei große Quilts auf dem Fußboden des Schlafzimmers aus. Sie legte die Kinder darauf

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