Der Botschafter
nahm und sie vorsichtig über Michaels geschwollenen Kopf zog. »Draußen herrscht richtiges Hundewetter, fürchte ich.«
Michael folgte Devlin auf einem schlammigen Pfad. Die Nacht war so finster, als trüge er wieder die schwarze Kopfhaube. Vor sich konnte er nur die Umrisse von Devlins Ringerfigur ahnen; auf seltsame Weise fühlte er sich zu diesem Mann hingezogen. Als sie die Scheune erreichten, hämmerte Devlin ans Tor und sagte einige Worte auf gälisch. Dann zog er das Tor auf und führte Michael in die Scheune.
Michael brauchte einige Sekunden, um zu erkennen, daß der an einen Stuhl gefesselte Mann vor ihm Kevin Maguire war. Er war nackt und zitterte vor Kälte und Angst. Er war grausam mißhandelt worden. Sein Gesicht war völlig entstellt, und er blutete aus einem Dutzend Platzwunden - über den Augen, an den Backenknochen, um den Mund herum. Seine Augen waren zugeschwollen. Der ganze Körper war mit Wunden übersät:
Prellungen, Schürfwunden, Striemen von Schlägen mit einem Gürtel, Brandwunden von Zigaretten, die auf ihm ausgedrückt worden waren. Er saß in seinen eigenen Exkrementen. Drei mit Sturmhauben getarnte Männer bewachten ihn.
»So verfährt die IRA mit Spitzeln, Mr. Osbourne«, sagte Devlin. »Denken Sie daran, wenn Sie nächstes Mal versuchen, einen unserer Männer dazu zu überreden, die IRA und sein Volk zu verraten.«
»Michael, bist du's?« fragte Maguire stockend.
Michael trat vor, drängte sich zwischen Maguires Bewachern hindurch und kniete neben ihm nieder. Ihm fehlten die Worte, deshalb wischte er ihm nur das Blut aus den Augen und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Tut mir leid, daß es so gekommen ist, Kevin«, sagte Michael mit vor Betroffenheit heiserer Stimme. »Mein Gott, das tut mir so leid!«
»Nicht deine Schuld, Michael«, flüsterte Maguire. Er machte einen Augenblick Pause, weil ihn das Reden Anstrengung kostete. »Es liegt an diesem Land. Das hab' ich dir schon gesagt.
Hier wird sich nie was ändern. In diesem Land ändert sie nie etwas.«
Devlin trat vor, packte Michael am Arm und zog ihn hoch. Er führte Michael wieder ins Freie. »Das dort drinnen ist die reale Welt«, sagte Devlin. »Ich habe Kevin Maguire nicht auf dem Gewissen. Sie haben ihn umgebracht.«
Michael fuhr herum und schlug zu. Sein Boxhieb traf Devlins linken Wangenknochen und ließ ihn zurücktaumeln und zu Boden gehen. Devlin lachte nur und rieb sich das Gesicht, während er sich aus dem Schlamm aufrappelte. Aus dem Haus kamen zwei Männer, aber Devlin schickte sie mit einer lässigen Handbewegung weg.
»Nicht schlecht, Michael. Gar nicht schlecht.«
»Holen Sie ihm einen Priester«, sagte Michael schweratmend.
»Er soll seinen Frieden mit Gott machen. Und dann geben Sie ihm eine Kugel. Er hat genug gelitten.«
»Er bekommt seinen Priester«, sagte Devlin, der sich weiter das Gesicht rieb. »Und auch seine Kugel, fürchte ich. Aber merken Sie sich eines: Gelingt es Ihnen und Ihren britischen Kumpeln nicht, die Ulster Freedom Brigade zu stoppen, ist hier der Teufel los. Sollte es dazu kommen, versuchen Sie lieber nicht, einen Spitzel in der IRA anzuwerben, weil der Scheißkerl von einem Verräter genau wie Maguire endet.«
Sie fuhren ihn weit übers Land. Anfangs versuchte Michael sich zu merken, wann sie links oder rechts abbogen, um die Farm vielleicht wiederfinden zu können, aber nach einiger Zeit schloß er einfach die Augen und ruhte sich aus, so gut er konnte.
Schließlich hielt der Wagen an. Jemand hämmerte auf den Kofferraumdeckel, bevor er fragte. »Haben Sie Ihre Scheißhaube auf?«
»Ja«, antwortete Michael. Er hatte nicht mehr die Kraft für mentale Spielchen und wollte nur noch von ihnen wegkommen.
Zwei Männer hoben ihn aus dem Kofferraum und legten ihn ins nasse Gras am Straßenrand. Im nächsten Augenblick legten sie noch etwas anderes neben ihm ab.
»Lassen Sie die Haube auf, bis Sie den Motor nicht mehr hören können.«
Michael setzte sich sofort auf, als der Wagen anfuhr. Er riß sich die Haube vom Kopf, weil er hoffte, einen Blick auf das Kennzeichen erhaschen zu können, aber der Wagen raste ohne Licht davon. Dann drehte er sich zur Seite, um zu sehen, was die Männer neben ihm abgelegt hatten, und starrte in Kevin Maguires lebloses Gesicht.
19
LONDON
»Man ist Ihnen offenbar zu dem Treff mit Maguire gefolgt«, sagte Wheaton mit der Gewißheit eines Mannes, der niemals zuließ, daß die Tatsachen seiner Theorie in die Quere kamen, vor allem
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