Der Botschafter
verändern.«
»Funktioniert das alles?« fragte Delaroche.
»Wenn ich fertig bin, erkennen Sie Ihr Gesicht selbst nicht wieder.« Er zögerte. »Wissen Sie bestimmt, daß Sie sich das antun wollen?«
Delaroche nickte.
»Also gut«, sagte Leroux. »Aber ich komme mir ein bißchen wie dieser Idiot vor, der ein Hammerattentat auf die Pietà verübt hat.«
Er zog einen Filzschreiber aus der Jackentasche und zeichnete Markierungen auf Delaroches Gesicht.
21
LONDON
Preston McDaniels war Beamter im Außenministerium und arbeitete in der Presse-und Informationsabteilung der US-Botschaft in London. Er war fünfundvierzig, schlank und vorzeigbar, wenn auch nicht nach herkömmlichen Maßstäben attraktiv. Als lebenslänglicher Junggeselle hatte er nur selten Frauenbekanntschaften gehabt, was seine Kollegen dazu bewog, hartnäckig darüber zu spekulieren, ob er schwul sei. Aber Preston McDaniels war nicht homosexuell; er hatte nur nie sonderlich gut mit Frauen umgehen können. Jedenfalls bis vor kurzem.
Es war 18 Uhr, und McDaniels räumte seinen Schreibtisch auf, bevor er sein kleines Büro verließ. Zwischendurch blieb er kurz am Fenster stehen und blickte auf den Grosvenor Square hinunter. Er hatte schwer darum gekämpft, nach langen Jahren an brutalen Dienstorten wie Lagos, Mexico City und Islamabad nach London versetzt zu werden. Hier war er glücklicher als je zuvor. Er liebte das Theater, die Museen, die Einkaufsmöglichkeiten, die interessanten Ziele für Wochenendausflüge. Er hatte eine elegante kleine Wohnung in South Kensington und fuhr jeden Morgen mit der U-Bahn zur Arbeit. Sein Job war allerdings weiterhin ziemlich langweilig: Er verfaßte routinemäßige Pressemitteilungen, stellte einen britischen Pressespiegel mit Themen zusammen, die den Botschafter interessierten, und koordinierte die Berichterstattung über Veranstaltungen, an denen der Botschafter teilnahm - aber die Tatsache, daß er in London lebte, machte alles irgendwie aufregend.
Er nahm eine Mappe mit Unterlagen vom Schreibtisch und packte sie in seinen ledernen Aktenkoffer. Dann nahm er seinen Regenmantel vom Haken und verließ sein Büro. Auf dem Gang trat er in die Herrentoilette und musterte sich prüfend im Spiegel über dem Waschbecken.
Manchmal fragte er sich, was sie an ihm fand. Er versuchte sein Haar so zu kämmen, daß es die kahle Stelle verdeckte, aber das machte es nur schlimmer. Sie hatte gesagt, sie habe eine Vorliebe für Männer mit beginnender Glatze, weil sie smarter und reifer aussähen. Sie ist zu jung für mich, dachte er, zu jung und viel zu hübsch. Aber er konnte nichts dagegen machen.
Zum erstenmal in seinem Leben lebte er in einer sexuell erregenden Beziehung, die er um jeden Preis erhalten wollte.
Draußen regnete es, und der Grosvenor Square lag in trübem Halbdunkel. McDaniels spannte seinen Schirm auf und ging durch den regen Fußgängerverkehr zur Park Lane hinüber. Dort blieb er vor dem Restaurant stehen und beobachtete sie einen Augenblick durchs Fenster. Sie war groß und sportlich schlank - mit üppiger schwarzer Mähne, ovalem Gesicht und grauen Augen. Ihre lose weiße Bluse konnte ihren vollen, wohlgerundeten Busen nicht ganz verbergen. Sie war eine wunderbare Liebhaberin; sie schien seine kühnsten Phantasien zu erraten. Im Büro starrte er jeden Nachmittag auf die Uhr, weil er es kaum erwarten konnte, sie wiederzusehen.
McDaniels betrat das Restaurant und setzte sich in der Bar an einen Tisch. Als sie ihn sah, blinzelte sie ihm zu und bildete mit ihren Lippen die Worte: »Komme gleich!«
Im nächsten Augenblick brachte sie ihm ein Glas Weißwein.
McDaniels berührte ihre Hand, als sie das Glas auf den Tisch stellte.
»Du hast mir schrecklich gefehlt, Darling.«
»Ich dachte, du würdest nie mehr kommen«, sagte sie. »Aber ich kann mich nicht mit dir unterhalten - Riccardo hat heute abend wieder einen psychotischen Schub. Wenn er mich mit dir reden sieht, schmeiß t er mich raus.«
»Du bist nur zu einem Stammgast freundlich.«
Sie lächelte verführerisch und sagte: »Sehr freundlich.«
»Wir müssen uns treffen.«
»Ich arbeite bis zehn.«
»So lange kann ich nicht warten.«
»Das wirst du wohl müssen.«
Sie blinzelte ihm erneut zu und ging davon. McDaniels trank mit kleinen Schlucken seinen Wein und beobachtete, wie sie von Tisch zu Tisch ging, Bestellungen aufnahm, Essen servierte und mit den Gästen sprach. Sie war die Art Frau, die Männern auffiel. Sie war zu attraktiv
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