Der Botschafter
wachte gegen drei Uhr morgens auf. Sie lag einige Minuten lang ganz still und horchte auf McDaniels' gleichmäßige Atemzüge. Er schlief im allgemeinen tief, und er hatte sie in dieser Nacht zweimal geliebt. Sie setzte sich auf, glitt leise aus dem Bett und durchquerte den Raum. Ihre Bluse lag noch auf dem Fußboden, wo Rebecca sie abgestreift hatte.
Sie hob sie auf, verließ das Schlafzimmer und schloß lautlos die Tür hinter sich.
Sie zog ihre Bluse an, während sie über den Korridor in sein Arbeitszimmer ging. Auch diese Tür schloß sie hinter sich, bevor sie sich an den Schreibtisch setzte. Der Aktenkoffer stand unverschlossen daneben. Rebecca öffnete ihn und kramte darin herum, bis sie gefunden hatte, was sie suchte: die Mappe mit den Unterlagen über Botschafter Cannons Termine an diesem Tag.
Sie nahm einen Notizblock von seinem Schreibtisch und begann hastig zu schreiben. Die Angaben waren sehr detailliert: Art und Zeitpunkt jedes Termins, das Transportmittel, die Route. Nachdem sie den Terminplan abgeschrieben hatte, blätterte sie auch die restlichen Unterlagen durch, um zu sehen, ob sie weitere nützliche Informationen enthielten. Dann legte sie die Papiere in seinen Aktenkoffer zurück und knipste die Schreibtischlampe aus.
Sie überquerte den Flur, verschwand im Bad, schloß die Tür und machte Licht. Sie wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser und starrte ihr Bild im Spiegel an.
Als die IRA Ronnie ermordet hatte, hatte sie einen Schwur getan: Sie würde nie wieder heiraten, und sie würde ihr Bett mit keinem anderen Mann teilen. Sie hatte geglaubt, dieser Schwur werde schwer zu halten sein, aber der Haß, der seit seinem Tod ihr Herz erfüllte, ließ keinen Raum für andere Gefühle - vor allem nicht für Liebe zu einem anderen Mann. In Portadown hatten einige Männer sich um sie bemüht, aber Rebecca hatte sie alle brüsk zurückgewiesen. In der Brigade wußten die Männer, daß sie mit Annäherungsversuchen nur ihre Zeit vergeudet hätten.
Als Preston McDaniels in ihren Körper eingedrungen war, hätte sie sich am liebsten übergeben. Sie sagte sich, sie habe dieses Opfer für eine wichtige Sache gebracht: für die Zukunft der protestantischen Lebensart in Nordirland. In gewisser Beziehung tat McDaniels ihr fast leid. Er war ein anständiger Mensch, gütig und sanft, aber er war auf den ältesten Trick der Welt hereingefallen - die Honigfalle. Heute nacht hatte er ihr erklärt, er liebe sie. Rebecca mochte sich nicht vorstellen, was mit ihm geschehen würde, wenn er irgendwann erfuhr, was unvermeidlich war, daß sie ihn nur benützt hatte.
Sie trank ein Glas Wasser und betätigte die WC-Spülung; dann machte sie das Licht aus und schlüpfte wieder ins Bett.
»Ich dachte, du würdest nie zurückkommen«, sagte McDaniels leise.
Sie hätte beinahe aufgeschrien, schaffte es aber doch, sich zu beherrschen. »Ich hab' plötzlich Durst gehabt.«
»Hast du mir auch was mitgebracht?«
»Sorry, Darling.«
»Tatsächlich hätte ich lieber was anderes.«
Er wälzte sich auf sie. »Dich«, sagte er. »Kannst du denn?«
Er zog ihre Hand zwischen seine Beine. »Oh!« sagte sie.
»Dagegen sollten wir etwas tun.« Er stieß tief in sie hinein.
Rebecca Wells schloß die Augen und dachte an ihren toten Ehemann.
22
COUNTY TYRONE, NORDIRLAND
Kurz nach dem Ausbruch der Gewalttätigkeiten in Nordirland im Jahre 1969 kam der britische Geheimdienst zu dem Schluß, der Terrorismus lasse sich am besten dadurch bekämpfen, daß man die Bewegungen einzelner Terroristen beobachtete.
Bekannte Mitglieder paramilitärischer Organisationen werden vom britischen Geheimdienst und vom E4, dem Überwachungsdienst der Royal Ulster Constabulary, gewohnheitsmäßig beschattet und überwacht. Alle Bewegungsmeldungen werden in der Belfaster Zentrale des Nachrichtendiensts der Army in einen Computer eingegeben.
Verschwindet ein Terrorist plötzlich von der Bildfläche, schlägt der Computer automatisch Alarm; die Sicherheitskräfte vermuten dann, daß er wahrscheinlich an einem Unternehmen teilnimmt.
Eine Überwachung in dieser Größenordnung erfordert Tausende von Beamten und modernste Technik. Unruheherde wie die Falls Road werden ständig mit zahlreichen Videokameras überwacht. Die Army unterhält einen Beobachtungsposten auf der hoch aufragenden Wohnanlage Divis Fiats. Tagsüber suchen Soldaten die Straßen mit starken Ferngläsern nach bekannten IRA-Angehörigen ab; nachts setzen sie
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