Der Botschafter
lerne ich rasch.«
»Also gut«, sagte der Direktor, »es bleibt bei Amsterdam.«
Der Immobilienmakler Stavros vermittelte ihm einen Mann, der sich um Haus und Garten kümmern würde. Delaroche erklärte ihm, er müsse für längere Zeit verreisen, aber ein Freund würde gelegentlich in der Villa wohnen. Stavros wollte ihn zu einem Abschiedsessen in der Taverne einladen, aber Delaroche lehnte höflich dankend ab.
Seinen letzten Tag auf Mykonos verbrachte Delaroche damit, den Dorfplatz in Ano Mera, die Terrasse seiner Villa und die Felsen bei Linos zu malen. Er arbeitete vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung, bis seine rechte Hand - die Hand mit der Schußverletzung - zu schmerzen begann.
Er saß auf der Terrasse und trank Wein, bis die untergehende Sonne seine weiße Villa mit einem Hauch von Siena natur übergoß, das er niemals auf einer Leinwand würde wiedergeben können.
Als es dunkel wurde, ging er hinein und machte im offenen Kamin ein großes Feuer. Dann durchsuchte er die Villa Zimmer für Zimmer, Schrank für Schrank, Schublade für Schublade und verbrannte alles, was eine n Hinweis auf seine Existenz hätte geben können.
»Wirklich schade, daß wir ein so schönes Gesicht verderben müssen«, sagte Maurice Leroux am nächsten Tag. Sie saßen in der Athener Wohnung, die der Direktor für die Operation und Delaroches Rekonvaleszenz ge mietet hatte, vor einem großen, hell beleuchteten Spiegel.
Leroux betastete mit der Spitze seines mageren Zeigefingers vorsichtig Delaroches Backenknochen.
»Sie sind kein Franzose«, verkündete er ernst, als furchte er, diese Mitteilung könnte seinen franzö sischen Landsmann schockieren. »In meinem Beruf eignet man sich zwangsläufig vertiefte anthropologische Kenntnisse an. Ich glaube, Sie sind irgendein Slawe, vielleicht sogar ein Russe.«
Delaroche schwieg, während Leroux weiterdozierte.
»Das sehe ich hieran - an den breiten Backenknochen, der flachen Stirn und dem markanten Unterkiefer. Und hier, sehen Sie sich Ihre Augen an. Sie sind auffällig mandelförmig und leuchtendblau. Nein, nein, Sie mögen einen französischen Namen tragen, aber in Ihren Adern fließt slawisches Blut, furchte ich. Vornehmes slawisches Blut allerdings.«
Delaroche betrachtete Leroux' Bild im Spiegel. Der Chirurg war ein schwächlicher Mann mit großer Nase, zurückweichendem Kinn und einem lächerlichen Toupet, das viel zu schwarz war. Seine Finger glitten nochmals über Delaroches Gesicht. Er hatte die Hände einer alten Frau - blaß, weich, dick blau geädert -, aber sie stanken nach dem Rasierwasser eines ganz jungen Mannes.
»Manchmal gelingt es, einen Mann durch plastische Chirurgie attraktive r zu machen. Vor einigen Jahren habe ich einen Palästinenser operiert, einen gewissen Muhammad Awad.«
Delaroche zuckte bei der Erwähnung dieses Namens zusammen. Für einen Mann in seiner Branche hatte Leroux soeben eine Todsünde begangen: Er hatte die Identität eines früheren Patienten preisgegeben.
»Er ist jetzt tot, aber als ich mit ihm fertig war, ist er richtig schön gewesen«, fuhr Leroux fort. »Bei Ihnen dürfte leider das Gegenteil der Fall sein. Ich fürchte, daß wir Sie weniger attraktiv machen müssen, um Ihr Aussehen wirklich zu verändern. Können Sie sich mit dieser Vorstellung abfinden, Monsieur?«
Leroux war ein häßlicher Mann, für den Äußerlichkeiten sehr wichtig waren. Delaroche war ein attraktiver Mann, der sich sehr wenig aus Äußerlichkeiten machte. Er wußte, daß manche Frauen ihn attraktiv fanden - manche sogar schön -, aber er selbst hatte sich nie viel darum gekümmert, wie er aussah. Ihm ging es nur um eines: Sein Gesicht war zu einer Gefahr für ihn geworden, und er würde es so behandeln, wie er alle Gefahren behandelte - er würde es eliminieren.
»Tun Sie, was Sie tun müssen«, sagte Delaroche.
»Also gut«, antwortete Leroux. »Sie haben ein Gesicht, das aus Winkeln und scharfen Kanten besteht. Diese Winkel müssen zu sanften Kurven, die Kanten müssen abgerundet werden. Ich habe vor, die obere Schicht Ihrer Backenknochen abzutragen, damit sie glatter und runder wirken. In Ihre Backen spritze ich Kollagen ein, damit Ihr Gesicht voller wirkt. Sie haben ein sehr schmales Kinn; ich mache es breiter und viereckiger. Ihre Nase ist ein Meisterwerk, aber sie muß leider geopfert werden. Ich mache sie größer und den Nasensattel kräftiger. Was die Augen betrifft, kann ich nicht viel tun, außer ihre Farbe durch Kontaktlinsen zu
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