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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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und talentiert, um als Serviererin zu arbeiten. Er wußte, daß sie irgendwann ihren Platz in der Welt finden würde - und dann würde sie ihn verlassen.
    McDaniels trank seinen Wein aus, legte einen Zehnpfundschein auf den Tisch und verließ das Restaurant.
    Natürlich war das zuviel Geld für ein einziges Glas Wein. Sie wird denken, ich halte sie für eine Nutte, sagte er sich. Er überlegte, ob er zurückgehen und weniger Geld hinlegen sollte, aber er wußte, daß das noch seltsamer gewirkt hätte. Als McDaniels davonging, dachte er, daß er, wenn sie ihn eines Tages verließe, vermutlich Selbstmord begehen würde.
    McDaniels ließ sich auf dem Nachhauseweg Zeit. Der Regen hatte fast aufgehört, deshalb ging er zu Fuß und genoß die Stadt und das beschwingte Gefühl, das ein Glas Wein und vor allem die wenigen Minuten in Rachels Gesellschaft in ihm ausgelöst hatten. Er hatte noch nie etwas wie Besessenheit empfunden, aber er wußte, daß sie sich so ähnlich anfühlen mußte. Sie begann sich auf seine Arbeit auszuwirken. Er war in Besprechungen geistesabwesend, verlor manchmal mitten im Satz den Faden, so daß seine Kollegen über ihn zu tuscheln begannen. Aber das war ihm eigentlich egal. Er hatte sein Leben lang ohne die Liebe einer Frau auskommen müssen. Jetzt wollte er dieses Gefühl genießen, solange es andauerte.
    Er aß in einem Pub an der Brompton Road zu Abend.
    Während er die Zeitungen las, gelang es ihm, ein paar Minuten nicht an Rachel zu denken. Aber dann war sie wieder da - wie eine angenehme Melodie, die ihm nicht mehr aus dem Sinn ging. Er stellte sie sich im Bett vor mit lustvoll geöffnetem Mund und geschlossenen Augen. Danach setzten törichte Phantasien ein: die Hochzeit in einer englischen Dorfkirche, das kleine Landhaus in den Cotswolds, die Kinder. Lächerliche Bilder, die ihm jedoch Freude machten. Er war hoffnungslos verliebt, aber Rachel schien kein Typ für die Ehe zu sein. Sie wollte schreiben. Sie genoß ihre Freiheit - ihre intellektuelle und ihre sexuelle Freiheit. Machte er ihr einen Heiratsantrag, würde sie vermutlich entsetzt die Flucht ergreifen.
    McDaniels schlenderte durch die ruhigen Seitenstraßen von South Kensington. Er hatte eine hübsche Dreizimmerwohnung im ersten Stock eines Terrassenhauses im georgianischen Stil.
    Er sperrte auf und blätterte seine Nachmittagspost durch.
    Nachdem er ausgiebig geduscht hatte, zog er eine Khakihose und einen Baumwollpullover an.
    Das zweite Schlafzimmer diente ihm als Arbeitszimmer. Er sah die Nine O'Clock News, während er die aus dem Büro mitgebrachten Unterlagen durcharbeitete. Botscha fter Cannon hatte morgen einen vollen Terminkalender: vormittags ein Gespräch mit dem Staatssekretär im Außenministerium, dann ein Mittagessen mit englischen Industriellen und nachmittags ein Interview mit einem Journalisten der Times. Als er die Papiere durchgearbeitet hatte, legte er sie in die Mappe zurück, die wieder in seinen Aktenkoffer kam.
    Kurz vor 22.30 Uhr summte die Türsprechanlage. McDaniels drückte auf die Sprechtaste und fragte scherzhaft: »Wer ist da?«
    »Ich bin's, Darling«, sagte sie. »Oder hast du eine deiner anderen Geliebten erwartet?«
    Das war ihr kleines Spiel, das sie gelegentlich spielten: Scherze über andere Partner, gespielte Eifersucht. Wirklich erstaunlich, wie rasch ihre Beziehung sich weiterentwickelt hatte.

    »Du bist die einzige Frau, die ich in meinem ganzen Leben gehabt habe.«
    »Lügner!«
    »Wollen wir darüber nicht lieber hier oben reden?«
    Er strich sich die Haare glatt, während er auf sie wartete. Auf dem Gang waren ihre Schritte zu hören, aber um nicht übereifrig zu erscheinen, wartete er, bis Rachel anklopfte. Als er die Tür aufzog, warf sie sich ihm in die Arme und küßte ihn. Ihre Lippen öffneten sich, und ihre seidenweiche Zunge glitt über seine. Dann trat sie einen halben Schritt zurück und murmelte:
    »Darauf habe ich mich schon den ganzen Abend gefreut.«
    Preston McDaniels lächelte. »Womit habe ich bloß das Glück verdient, jemanden wie dich zu finden?«
    »Ich kann von Glück sagen.«
    »Möchtest du einen Drink?«
    »Tatsächlich habe ich ein dringendes Problem, und du bist der einzige, der mir dabei helfen kann.«
    Sie ergriff seine Hand, zog ihn ins Schlafzimmer und knöpfte dabei schon ihre Bluse auf. Sie drückte ihn aufs Bett und zog sein Gesicht an ihren Busen.
    »O Gott«, stöhnte er.
    »Beeil dich, Darling«, sagte sie. »Bitte beeil dich.«
    Rebecca Wells

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