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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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wollen Sie wissen, daß die undichte Stelle sich in diesem Gebäude befindet?« fragte Wheaton. »Vielleicht haben Ihre Leute nicht dichtgehalten. Für den persönlichen Schutz des Botschafters ist die Special Branch zuständig. Wir geben ihr seinen Terminplan immer ein paar Tage im voraus.«
    »Denkbar ist natürlich alles«, sagte Graham.
    »Warum haben Sie die Unterlagen nicht fotografiert?« fragte Wheaton.
    »Weil die Zeit dafür nicht gereicht hat«, antwortete Graham.
    »Ich bin der Ansicht, daß er uns auf freiem Fuß mehr nützt als in Haft. Wir haben seinen Wagen rasch durchsucht, einen Minisender angebracht und ihn weiterfahren lassen.«
    »Wer ist er?« fragte Michael.
    Graham öffnete seinen speziell gesicherten Aktenkoffer und verteilte mehrere Fotos eines großen Mannes mit dichtem schwarzen Haar - ein Polizeifoto und mehrere grobkörnige Überwachungsaufnahmen.
    »Das ist Gavin Spencer«, sagte Graham, »ehemals einer der führenden Männer der Ulster Volunteer Force. Er ist einmal wegen unerlaubten Waffenbesitzes festgenommen worden, aber das Verfahren mußte wegen Mangels an Beweisen eingestellt werden. Spencer ist ein Hardliner. Als Gegner jeglicher Aussöhnung ist er zu Beginn des Friedensprozesses aus der UVF ausgetreten.«
    »Wo ist er jetzt?« fragte Wheaton.
    »Er wohnt in Portadown. Dort ist er hingefahren, nachdem wir ihn kontrolliert hatten.«
    Douglas Cannon fragte: »Was tun wir jetzt, Gentlemen?«
    »Wir suchen das Leck«, sagte Wheaton, »und dann verstopfen wir es. Wir stellen fest, ob hinter der Weitergabe dieser Informationen Verrat oder ein anderes Motiv steckt.«
    Michael schob seinen Stuhl zurück und ging in dem kleinen Raum langsam auf und ab. »Wie viele Leute in der Botschaft kennen den Terminplan des Botschafters im voraus?« fragte er schließlich.
    »Das hängt vom Wochentag ab, aber im allgemeinen mindestens zwanzig«, antwortete Wheaton.
    »Und wie viele davon sind Männer?«
    »Etwas über die Hälfte«, sagte Wheaton, dessen Stimme jetzt hörbar irritiert klang. »Warum?«
    »Ich denke an etwas, das Kevin Maguire mir vor seinem Tod erzählt hat. Er hat gesagt, der Nachrichtendienst der IRA habe bei seinen Ermittlungen nach dem Mord an Eamonn Dillon festgestellt, daß es in der Sinn-Fein-Zentrale ein Leck gegeben hatte. Eine junge Frau, eine Sekretärin, hatte sich mit einer Protestantin angefreundet und ihr unabsichtlich Einzelheiten über Dillons Termine verraten.«
    »Wie hat die Protestantin ausgesehen?« fragte Graham.
    »Anfang Dreißig, attraktiv, schwarzes Haar, heller Teint, graue Augen.«
    Der Anflug eines Lächelns erschien auf Michaels Gesicht.
    »Diesen Gesichtsausdruck kenne ich«, sagte Graham. »Woran denkst du, Michael?«
    »Daß Gelegenheit Diebe macht.«
    Kurz vor halb sechs Uhr an diesem Nachmittag summte das Telefon auf Preston McDaniels' Schreibtisch leise. McDaniels spielte einen Augenblick mit dem Gedanken, es summen zu lassen, denn er hatte es eilig, Rachel zu sehen. Sein Anrufbeantworter würde den Anruf aufzeichnen, und er konnte sich morgen früh als erstes darum kümmern. Aber in der Botschaft waren den ganzen Tag lang Gerüchte herumgeschwirrt: Gerüchte über irgendein Sicherheitsproblem, über Vernehmungen von Botschaftsangehörigen durch gestrenge Inquisitoren in der Führungsetage. McDaniels wußte, daß die Spürhunde der Medien es verstanden, irgendwie Witterung von solchen Gerüchten zu bekommen. Er streckte widerstrebend die Hand aus und riß den Hörer von der Gabel.
    »McDaniels«, meldete er sich.
    »Hier ist David Wheaton«, sagte die Stimme am anderen Ende. Der Mann machte sich nicht die Mühe, seine Dienststellung zu erwähnen; in der Botschaft wußte jeder, daß Wheaton der Chef der CIA-Station London war. »Könnte ich Sie einen Augenblick persönlich sprechen?«
    »Eigentlich wollte ich eben gehen. Hat die Sache vielleicht bis morgen früh Zeit?«
    »Nein, die Sache ist wichtig. Sind Sie so freundlich, gleich heraufzukommen?«
    Wheaton legte auf, ohne die Antwort abzuwarten. Irgend etwas an seinem Tonfall beunruhigte McDaniels. Er hatte Wheaton noch nie leiden können, aber er wußte, daß es unklug gewesen wäre, ihn gegen sich aufzubringen. McDaniels verließ sein Büro, ging den Korridor entlang und fuhr mit dem Aufzug nach oben.
    Als er den Raum betrat, sah er auf einer Seite eines langen rechteckigen Tischs drei Männer sitzen: Wheaton, Michael Osbourne, Botschafter Cannons Schwiegersohn, und einen gelangweilt

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