Der Bourne Befehl
blickte immer wieder zu ihr auf, als fragte sie sich, was hier vorging. Das Gleiche fragte sich Hendricks. Während sie dem vertrauten Weg folgten – an den Bäumen vorbei, die er so gut kannte und deren Zweige sich im Wind wiegten, als würden sie winken –, stellte er fest, dass diesmal alles ein wenig anders aussah; die Formen wirkten schärfer, die Farben intensiver. Er sah Einzelheiten, die ihm noch nie aufgefallen waren.
Dass er hier mit Maggie joggte, war etwas, das er wirklich wollte – und das erstaunte ihn, weil er etwas Derartiges schon lange nicht mehr gewollt hatte, wahrscheinlich seit Amanda gestorben war. In diesen fünf Jahren hatte er niemals den Wunsch verspürt, mit einer Frau zusammen zu sein. Wie schäbig er Jolene und die anderen Frauen behandelt hatte, die für einen kurzen Augenblick in sein Leben getreten waren! Wenn sie irgendetwas sagten oder taten, das ihn an Amanda erinnerte, verfiel er in Trauer und Verzweiflung. Noch schlimmer war, wenn sie etwas ganz anders machten als Amanda, denn das machte ihn wütend.
Doch plötzlich hatte er das Gefühl, das Leben ganz neu zu sehen. Was habe ich nur die ganze Zeit getan? , fragte er sich beschämt. Amanda hätte nicht gewollt, dass er sich so benahm.
Und während er hier joggte und die Hitze spürte, die von Maggie ausging, ihren Duft nach Zimt und Bittermandeln roch, tat er etwas, was er bisher nicht gekonnt hatte. Er blickte auf die vergangenen fünf Jahre zurück. Er war durch eine Wüste gewandert. Vielleicht war es eine Wüste, die er sich selbst geschaffen hatte, dachte er, aber deswegen war sie um nichts weniger real. Und jetzt endlich hatte er das Gefühl, diese Ödnis verlassen zu können und in die Welt zurückzukehren, in der er und Amanda zusammen gelacht und sich geliebt hatten, in der sie einfach diese pure Freude am Zusammensein erlebt hatten, so wie sich Cleo an ihren gemeinsamen Läufen erfreute.
Hendricks fühlte sich leichter, er genoss das Laufen viel bewusster als sonst. Vor allem genoss er es, nicht allein zu sein. Maggie sagte etwas zu ihm, und er antwortete. Ein paar Sekunden später wusste er schon nicht mehr, was sie gesprochen hatten – aber das Beste war, dass das gar keine Rolle spielte. Er wünschte sich, seine Laufstrecke wäre zehn Kilometer lang gewesen statt fünf. Und als sie das Ende erreichten, sah er sie an und fragte sie: »Möchten Sie heute Abend mit mir essen gehen?« Und es erschien ihm wie die natürlichste Sache der Welt.
Sie musste es ebenso empfunden haben, denn sie antwortete: »Das würde ich sehr gern.«
Estevan beobachtete, wie das Gewitter über den Bergen heraufzog, während Rosie das Essen kochte. Sie arbeitete langsam und sorgfältig wie immer. Mit ihren kräftigen Händen schnitt sie das Fleisch, würzte es und legte es in eine Pfanne mit heißem Öl.
Und dann fing es an, und der Regen klatschte gegen die Fenster und hämmerte auf die losen Dachziegel, die er versprochen hatte zu reparieren, und es doch nie getan hatte. Sie hob den Kopf und lächelte, das vertraute Geräusch gab ihr das Gefühl, dass alles so war, wie es sein sollte. Der Abendhimmel verdunkelte sich, als wäre es mitten in der Nacht, und für einen Moment sah sie ihr Spiegelbild im Fenster, die Narben am Hals, die sie von ihrer Begegnung mit dem Ozelot davongetragen hatte. Draußen das weiße Kreuz aus Hartholz, unter dem Tamarillobaum, den sie immer schon besonders gemocht hatte, seit sie schwer verletzt in sein Haus gekommen war.
Sie wandte sich vom Fenster ab und fasste sich an die Brust, wo sie ebenfalls Narben hatte, dann senkte sie den Kopf und begann leise zu weinen. Sofort war er an ihrer Seite.
»Ist schon gut, Rosie«, flüsterte er. »Es ist alles gut.«
»Er ist da draußen«, sagte sie. »Im Regen.«
»Nein«, antwortete Estevan beruhigend. »Unser Kind ist im Himmel, wohlbehütet in Gottes Licht.«
Die Ärzte hatten ihnen gesagt, dass sie kein Kind mehr haben würden. Estevan wusste, dass sie erwartet hatte, er würde ihr die Schuld am Tod ihres Kindes geben und sie hinauswerfen. Doch er kümmerte sich nur noch hingebungsvoller um sie. Wenn er sie nachts weinen hörte, hielt er sie im Arm und redete ihr zu, sie solle vergessen, was die Ärzte gesagt hatten. Sie würden weiter versuchen, ein Kind zu bekommen, und mit Gottes Gnade würde es ihnen auch zuteil werden, und wenn dafür ein Wunder nötig sei. Das war vor drei Jahren gewesen, doch seither war sie nicht wieder schwanger geworden.
Sie gab
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