Der Bourne Befehl
blickte auf die Computerausdrucke hinunter und versuchte, FitzWilliams’ Einwände zu erahnen, doch mit den Gedanken war er woanders.
Jackie. Jackie in den Bergen von Afghanistan. Diese Veränderung hatte Maggie bei ihm bewirkt; sie hatte sein Herz geöffnet. Er hatte seine Wünsche immer fest verschlossen in sich getragen, aber jetzt wollte er seinen Sohn wiederhaben. Sein Abendessen mit Maggie – eine ganz simple Sache – hatte ihm vor Augen geführt, was es bedeutete, einfach nur zu leben, nachdem er sich jahrelang in seine Arbeit vergraben hatte und das Leben an sich hatte vorbeiziehen lassen.
FitzWilliams verspätete sich. Hendricks lenkte seinen Ärger über sich selbst auf den Leiter von Indigo Ridge. Als FitzWilliams endlich hereinkam, voller Energie und vor guter Laune sprühend, blaffte Hendricks ihn unwirsch an: »Setzen Sie sich, Roy. Sie sind spät dran.«
»Das tut mir leid«, sagte FitzWilliams und ließ sich in einen Stuhl sinken wie ein Luftballon, dem die Luft ausging. »Es ließ sich nicht vermeiden.«
»Natürlich hätte es sich vermeiden lassen; es lässt sich immer vermeiden, wenn man will«, erwiderte Hendricks. »Ich kann es nicht mehr hören, wenn Leute immer mit Ausreden kommen, statt für das, was sie tun, die Verantwortung zu übernehmen.« Er blätterte in der Samaritan-Akte. »Niemand ist daran schuld außer Ihnen, Roy.«
»Ja, Sir«, brachte FitzWilliams mit glühenden Wangen hervor. »Mein Fehler. Wird nicht wieder vorkommen, das verspreche ich Ihnen.«
Hendricks räusperte sich. »Also, was haben Sie für ein Problem?«
Das Haus in der Rue Vernet, in dem der Monition Club seinen Sitz hatte, war ein großes, ein bisschen mittelalterlich anmutendes Gebäude aus gelbem Stein. Auf einer Seite war ein architektonischer Garten angelegt, der von gewundenen Wegen durchzogen und von Buchsbaumhecken gesäumt war. In der Mitte stand eine Buchsbaumskulptur der Fleur-de-Lys, der Lilienblüte, das wohl bekannteste Symbol der französischen Monarchie. Blumen gab es keine, was dem Garten eine ganz eigene nüchterne Schönheit verlieh.
Soraya ließ Aaron vorausgehen und blieb einen halben Schritt hinter ihm stehen, als er an der Tür klingelte. Amun stand so dicht hinter ihr, dass sie seine Wärme spürte.
Als die Tür aufging und sie hineingeführt wurden, fragte sie sich, ob ihre Liebe zu Amun echt oder nur eingebildet war. Wie konnte etwas, das ihr vor einer Woche noch so real erschienen war, sich verflüchtigen wie ein Trugbild? Es war beschämend, wie leicht man sich selbst etwas vormachen konnte und wie schnell man von der Echtheit eines Gefühls überzeugt war.
Die junge Frau, die sie ins Haus führte, war in jeder Hinsicht unscheinbar: mittelgroß, durchschnittliche Figur, dunkles Haar, zu einem strengen Knoten zusammengebunden, ein ausdrucksloses Gesicht, das ihre Persönlichkeit völlig verbarg.
Weiches indirektes Licht erhellte den Weg durch die Korridore, die mit teurem Holz getäfelt waren. An den Wänden hingen in gleichmäßigen Abständen gerahmte Manuskripte. Der dicke, schwarze Teppich, in den man einsank wie in sumpfigen Boden, verschluckte die Geräusche ihrer Schritte völlig. Schließlich blieb die Frau vor einer polierten Holztür stehen und klopfte leise. Eine Stimme meldete sich von drinnen, sie öffnete die Tür, trat zur Seite und winkte sie hinein.
Der erste Raum der Suite schien eine Art Arbeitszimmer zu sein. Die Einrichtung bestand im Wesentlichen aus einem Hartholztisch, der wie ein Esstisch in einem Kloster aussah, und aus hohen Bibliotheksregalen mit teilweise sehr alt aussehenden dicken Wälzern. Da und dort standen lederbezogene Stühle. Ein großer Globus zeigte die Welt, wie man sie im 17. Jahrhundert kannte. Eine Tür führte in einen Raum, der wie ein Wohnzimmer wirkte und moderner und heller eingerichtet war.
Als sie eintraten, drehte sich ein Mann auf einer niedrigen Stehleiter um und betrachtete sie über den Rand seiner altmodischen Halbbrille hinweg.
»Ah, Inspektor Lipkin-Renais, ich sehe, Sie haben Verstärkung mitgebracht.« Er lachte leise, als er von der Leiter herunterstieg und ihnen entgegenkam. »Direktor Donatien Marchand, zu Ihren Diensten.«
Amun trat vor und sagte, bevor Aaron seine Begleiter vorstellen konnte: »Amun Chalthoum, Direktor des Mukhabarat in Kairo.« Seine steife, förmliche Verbeugung hatte etwas leicht Bedrohliches, und Marchands schwarze Augen verrieten für einen kurzen Moment, dass er erschrak, ehe er sein
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