Der Bourne Verrat: Roman (German Edition)
Sabotageakt zu.
»Ich brauche eine Leiche.« Verteidigungsminister Hendricks telefonierte mit Roger Davies, seinem ersten Adjutanten. »Männlich, keine Verwandten. Ein langes Vorstrafenregister wäre ideal. Schicken Sie mir außerdem ein handverlesenes Aufräumteam. Eine Wohnung muss sterilisiert werden.« Er hörte sich kurz Davies’ Antwort an, ehe er ihn unterbrach. »Verstehe. Machen Sie sich gleich an die Arbeit.«
Hendricks trennte die Verbindung und blickte widerwillig auf die Leiche von Charles Thorne hinunter. »Das war verdammt gut gezielt, Ann«, sagte er. »Trotzdem wäre ich froh, wenn es sich anders hätte regeln lassen.«
»Ich auch.« Ann stand neben ihm im Schlafzimmer, in einen dicken Bademantel gehüllt. Nachdem sie ihren Führungsoffizier angerufen hatte, hatte sie kurz überlegt, ob sie sich anziehen sollte, doch Hendricks hatte sie gut ausgebildet. Sie wollte am Tatort nichts verändern, bevor er eintraf und ihr sagte, wie es weiterging. »Er hat mir keine Wahl gelassen. Er ist einfach durchgedreht.«
Hendricks wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Er hatte Ann aufgefordert, ihr Kleid vom Boden aufzuheben, damit er es nach Blutflecken absuchen konnte. Schließlich ließ er sie das Kleid in den Schrank hängen. Ihre Schuhe waren eine andere Geschichte. Er entdeckte mehrere Blutspritzer und steckte sie in einen Müllsack, den er mitgebracht hatte. Er hatte Einweghandschuhe und Überschuhe angezogen, bevor er die Wohnung betrat.
Schließlich wandte er sich ihrer Walther PPK/S zu und wischte sorgfältig ihre Fingerabdrücke ab. »Glauben Sie, Sie werden allein mit Li fertig?«
»Ich arbeite jetzt … wie lange für Sie? Sechzehn Jahre?« Ann nickte. »Klar werde ich mit ihm fertig.« Sie musterte Hendricks aufmerksam. »Aber es ist nicht Li, der Ihnen Sorgen macht.«
»Stimmt«, seufzte Hendricks. »Es sind die Leute, für die er arbeitet.« Er wandte sich ab, wollte die Leiche nicht mehr sehen, bis Roger mit seiner Fracht eintraf. Er hätte diesen schmutzigen Job einem seiner Untergebenen überlassen können, doch dann hätte er sich nicht wundern dürfen, wenn etwas nach außen gedrungen wäre. Je schmutziger der Job, umso wichtiger war es, sich selbst darum zu kümmern. Und dies war eine ausgesprochen schmutzige Angelegenheit. Er seufzte. »Die Struktur des chinesischen Geheimdienstes ist äußerst undurchsichtig. Es wäre extrem hilfreich, zu wissen, mit wem wir’s wirklich zu tun haben.«
Er wandte sich wieder Ann zu. »Das ist es, was ich jetzt von Ihnen brauche. Den armen Charles können wir nicht mehr darum bitten.« Thorne hatte eine ganz spezielle Rolle gespielt: Er hatte Fehlinformationen an Li weitergegeben, ohne zu wissen, dass sie falsch waren. Sein übertriebener Ehrgeiz hatte ihn geblendet. Schlimm für ihn, aber gut für Hendricks. Wie Hendricks vorhergesehen hatte, führte ein so maßloser Ehrgeiz zu falschen Entscheidungen, und die hatte Thorne getroffen, als er sich mit Li zusammentat, um an brisante Informationen für Politics As Usual heranzukommen. Nun war diese Phase der Operation leider vorzeitig beendet.
Der Verteidigungsminister hielt es insgeheim für möglich, dass Ann in ihrem Privatleben mit ihm ebenfalls Fehler gemacht hatte. Er zuckte innerlich mit den Schultern. So etwas konnte immer passieren, wenn man Menschen manipulierte: Ihr Verhalten war nicht immer vorhersehbar.
»Keine Sorge«, meinte Ann.
Eines musste man Ann Ring lassen, dachte Hendricks: Sie hatte wirklich Eis in den Adern.
»Sie sehen trotzdem besorgt aus.«
»Es ist wegen Soraya.«
»Ah, ja. Ich hab’s gehört.« Ann legte den Kopf auf die Seite. »Wie geht es ihr?«
»Sie wäre fast gestorben«, sagte Hendricks mit mehr Emotion, als er beabsichtigt hatte.
Ann betrachtete ihn kühl, die Arme vor der Brust verschränkt. »Aber sie ist nicht gestorben, oder?«
»Nein.«
»Dann seien wir froh.«
»Ich hätte sie nicht dafür …«
»Sie haben sie ausgewählt, weil sie die Richtige für den Job war.«
»Weil Sie mir sagten, dass Ihr Mann scharf auf sie sei.«
»Also wirklich, Christopher, das war sicher nicht der Grund. Dass Charles scharf auf sie war, hat ihr die Arbeit um vieles erleichtert. Sie hätte sicher auch einen anderen Weg gefunden; sie ist ein außerordentlich schlaues Mädchen. Und Sie haben ja angedeutet, dass es ihr Spaß gemacht hat, ein paar Fehlinformationen an Charles weiterzugeben.«
Hendricks nickte. »Sie wollte unbedingt mithelfen, Li und seiner
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