Der Bourne Verrat: Roman (German Edition)
gelangte.
Der Kanal wurde immer enger, was El Enterrador nicht erwähnt hatte. Bourne kam nur noch langsam voran, weil er Rebekkas Lage in seinen Armen immer wieder dem Fluchtweg anpassen musste. Er arbeitete sich weiter und murmelte ihr leise Worte ins Ohr, um sie wach zu halten. Von der Wartungsöffnung war immer noch nichts zu sehen. Nach einer Weile begann das Licht der Taschenlampe zu flackern. Für einen Augenblick war es völlig dunkel, dann begann die Lampe wieder zu leuchten, wenn auch schwächer. Die Batterien gingen zur Neige.
Bourne versuchte, etwas schneller voranzukommen, und arbeitete sich mit dem Kopf voran durch den engen Kanal, Rebekka auf ihm. Er spürte ihren Herzschlag, ihren unregelmäßigen Atem. Er musste sie sofort hier rausbringen, an die frische Luft.
Zentimeter für Zentimeter kämpfte er sich weiter, es kam nun auf jede Sekunde an. Wieder setzte die Taschenlampe aus, brauchte länger, um wieder anzuspringen, der Lichtstrahl nur noch schwach und flackernd. Doch das genügte, um wenige Augenblicke später die Umrisse des Wartungsschachts zu erkennen, der senkrecht nach oben führte.
Bourne zog Rebekka mit sich. Er sah noch einen halbkreisförmigen Lichtschein wie eine Mondsichel am Nachthimmel, ehe die Batterien endgültig leer waren. Er war von pechschwarzer Dunkelheit umgeben.
»Natasha Illion?« Thorne hatte plötzlich das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. »Ich verstehe nicht …«
»Armer Charles«, versetzte Ann mit ihrem eisigen Lächeln. »Sagen wir einfach, Tasha und ich sind Freundinnen. Mehr brauchst du nicht zu wissen.«
»Du Miststück!«, schrie er und stürzte auf sie zu.
Ann nahm ihre Hand aus der Schublade. Sie hielt eine kleine Walther PPK/S in der Hand. Thorne sah es entweder nicht, oder es war ihm egal. In seiner Wut stürmte er mit ausgestreckten Händen auf sie zu, als wolle er sie erwürgen.
Ann drückte zweimal ab, ohne zu zittern. Die durchschlagskräftigen ACP -Kugeln vom Kaliber .32 warfen Thorne gegen die Wand und schleuderten ihn zu ihr zurück.
Seine Augen weiteten sich geschockt und ungläubig. Dann kam der sengende Schmerz, und er fiel auf sie. Einen Moment lang hielt er sie fest wie einst, als sie sich geliebt hatten.
»Warum …? Du …«, brachte er mühsam hervor.
Ann verfolgte mit kaltem Blick, wie er starb. »Du bist ein Verräter, Charles. Du hast mich verraten, unsere Ehe, aber am meisten unser Land.« Er sank auf die Knie. »Weißt du, was du mit dem trefflichen Mr. Li angerichtet hast? Ein trefflicher Spion ist er, dein Mr. Li.«
Thorne spürte nur noch, wie seine Welt in sich zusammenfiel und die Trümmer ihn unter sich begruben.
»Goodbye, Charles.« Ann stieß ihn weg und sah sein Blut auf ihrer Haut. Sie stieg über ihn und ging ins Badezimmer, um zu duschen.
Bourne kämpfte sich weiter und schätzte den zurückgelegten Weg ab, seit er den Schacht im erlöschenden Lichtschein der Taschenlampe gesehen hatte. Der Kanal war jetzt so eng, dass er in seiner liegenden Position den oberen Rand spürte, wenn er den Arm hob. So schob er sich die letzten Meter zum Wartungsschacht vor. Erleichtert ertastete er die Öffnung mit den Fingerspitzen.
Er legte Rebekka auf den Boden und richtete sich im Schacht auf. Er streckte sich und erreichte den Deckel. An der Unterseite war ein Metallring befestigt. Er drehte ihn nach links, drückte nach oben und wurde durch hereinströmendes Licht und einen frischen Luftschwall belohnt.
Freiheit!
Er beugte sich hinunter, hob Rebekka in den Schacht und schob sie ins Freie hinaus. Im nächsten Augenblick folgte er ihr hinauf. Strahlendes Tageslicht um sie herum. Sie befanden sich zwischen Bäumen, die in einem perfekten Quadrat gepflanzt waren, vier auf jeder Seite.
Er legte Rebekka so hin, dass man sie von außen nicht sehen konnte, und lauschte nach eventuellen Verfolgern. Von den Straßen hörte man das ferne Brummen des Verkehrs. Es war noch zu früh für Spaziergänger im Park. Sie waren allein.
Rasch untersuchte er Rebekkas Wunde. Mit den Stofflappen, die er aus dem Werkzeugkasten mitgenommen hatte, versuchte er erneut, den Blutfluss zu stillen, doch der Stoff war nach wenigen Augenblicken völlig durch tränkt. Er überprüfte Puls und Atmung – es hörte sich nicht gut an. Er versuchte abzuschätzen, wie viel Blut sie verloren hatte – es war jedenfalls mehr als vor sechs Wochen, als sie von Damaskus nach Dahr El Ahmar geflüchtet waren. Ihr Gesicht war aschfahl, die Farbe
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