Der Brander
Kopfsteinpflaster und dann auf die Bohlen der Pier. Passanten blieben stehen und sahen zu, wie der junge britische Marineoffizier dem blonden Mädchen fürsorglich beim Aussteigen half.
Adam starrte erstaunt auf die Reede hinaus. Dann sah er das Mädchen an seinem Arm an. »Was mache ich jetzt, Robina?«
Denn es schockierte ihn wie eine kalte Dusche, daß
Achates
verschwunden war.
»Also hier seid ihr.« Jonathan Chase nickte seiner Nichte zu und berichtete mit grimmigem Lächeln: »Sie ist gestern ausgelaufen. Der Admiral konnte gar nicht schnell genug nach San Felipe kommen.« Er spielte mit dem Gedanken, dem Leutnant vom Untergang der
Sparrowhawk
zu erzählen, entschied sich aber mit Rücksicht auf seine Nichte dagegen.
Statt dessen schlug er vor: »Sie kommen besser mit mir, junger Mann. Morgen will ich sehen, wie ich Ihre Weiterreise arrangieren kann. Sie möchten doch zurück auf Ihr Schiff, oder?«
Er sah, wie ihre Hände sich fanden und begriff, daß sie ihm gar nicht zugehört hatten. Stirnrunzelnd ging er dem jungen Paar zu seiner Kutsche voraus. Robina war sein Augapfel, aber er mußte den Tatsachen ins Gesicht sehen, an Land ebenso wie früher auf See.
Sie waren ein auffallend schönes Paar, aber Robinas Familie würde niemals zulassen, daß sich mehr aus dieser Bekanntschaft entwickelte. Was hatte er sich nur dabei gedacht, als er die beiden zusammenführte?
Ein junger Marineoffizier, noch dazu ein Engländer, dessen einzige Zukunft die Kriegsmarine war, konnte kein aussichtsreicher Bewerber um Robina Chase sein. Also mußte er wieder auf sein Schiff geschafft werden – je schneller, desto besser.
Bolitho trat aus dem Schatten der Poop nach vorn zur Querreling. Rund um ihn gingen halbnackte Seeleute ihrer Arbeit nach, die auf einem Kriegsschiff nie ein Ende fand, und warfen ihrem Admiral neugierige Blicke zu. Sie konnten sich nur schwer an die Anwesenheit eines Flaggoffiziers gewöhnen und verstanden schon gar nicht, daß er sich nicht seinem Rang entsprechend kleidete. Wie die anderen Offiziere trug Bolitho lediglich ein Hemd, offen bis zur Brust, und Breeches. Nur zu gern hätte er auch diese abgelegt, um sich bei der Hitze Erleichterung zu verschaffen. Aber das wäre denn doch zu weit gegangen.
Er blickte nach oben und studierte ein Segel nach dem anderen. Im Augenblick standen alle voll, trotzdem konnten sie jederzeit wieder kraftlos einfallen – wie die meiste Zeit, seit sie Boston verlassen hatten.
Daran dachte Bolitho nicht gern zurück. Warum hatte Nancy geschrieben und nicht Belinda? Traf zu, was Keen gesagt hatte, oder sollte der Brief ihn nur auf noch schlechtere Nachrichten vorbereiten?
Belinda war also krank. Es konnte auch ein Übel aus ihrer Zeit in Indien sein, wo sie ihren kranken ersten Mann bis zu seinem Tode gepflegt hatte.
Bolitho wanderte auf den weißgescheuerten Decksplanken auf und ab, die in den 21 Jahren, die das Schiff schon auf dem Buckel hatte, von Tausenden nackter Füße geglättet worden waren.
Gewaltsam verdrängte er Falmouth aus seinen Gedanken, aber statt dessen fiel ihm sein Neffe ein.
Bolitho hätte alles darum gegeben, noch in Boston bleiben zu können, um auf weitere Nachrichten von Belinda zu warten und darauf, daß Adam an Bord zurückkehrte. Ihm die Reise nach Newburyport zu erlauben, war ohnehin ein Fehler gewesen. Vielleicht hatte Keen auch in diesem Punkt recht gehabt, genau wie Browne. Er hätte nicht einen so nahen Verwandten zu seinem Adjutanten machen dürfen.
Keen trat zu ihm an die Reling. »Der Wind steht durch, Sir«, meinte er.
Acht Tage – die längsten Tage, an die Keen sich erinnern konnte – hatte er das Schiff nach Süden gequält und jeden Fetzen Tuch gesetzt, um wenigstens einen Knoten mehr Fahrt herauszuholen. Trotzdem hatten sie nur jämmerliche Etmale erzielt, und er glaubte zu spüren, daß Quantock ihn ständig mit dem früheren Kommandanten verglich. Das Mißvergnügen seines Ersten scherte Keen wenig, mehr bekümmerte ihn schon der Umstand, daß Bolitho kein einziges Wort der Kritik geäußert hatte. Aber auch er mußte wissen, daß der Wind in dieser Weltgegend ein unzuverlässiger Geselle war und einen meist gerade dann in Stich ließ, wenn man ihn am dringendsten brauchte.
Bolitho blickte zum Verklicker auf, der unlustig flappte.
»Also morgen, Val.«
»Aye, Sir. Mr. Knocker hat mir versichert, daß wir um Mittag auf der Höhe von San Felipe stehen, wenn der Wind so bleibt.« Keens Stimme hörte man die
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