Der Brander
Erleichterung an.
Bolitho blickte hinaus auf die schwach bewegte See, aus der ab und zu eine Gischtfeder wuchs, die ein springender Fisch aufwarf. Wie Keen hatte er die See- und Landkarten von San Felipe so eingehend studiert, daß er sie auch geschlossenen Auges vor sich sah: fünfzig Meilen lang, aber höchstens zwanzig Meilen breit, wurde die Insel von einem erloschenen Vulkan beherrscht und wies an ihrer Südseite einen weitläufigen Naturhafen auf. Gefährliche Riffe verwehrten die Zufahrt von Norden her, und ein weiterer Korallengürtel schützte die kleine Nebeninsel auf der gegenüberliegenden Seite. Ein großartiges Versteck, auch ohne die alte Festung, die die Einfahrt nach Rodney’s Harbour beherrschte. An Süßwasser bestand kein Mangel, und die reiche Ernte an Zuckerrohr und Kaffeebohnen erhöhte noch den Wert der Insel. Wieder ertappte sich Bolitho bei dem Gedanken, daß er Gouverneur Rivers’ Meinung teilte: Es war widersinnig, die Insel den Franzosen zurückzugeben.
Keen sagte gerade: »Bei dieser Windrichtung werde ich den Hafen von Südost ansteuern, Sir. Bin froh, daß wir nicht im Dunkeln einlaufen müssen.«
Das klang beiläufig, aber Bolitho hörte doch Keens Sorge um sein Schiff heraus. In den Gewässern um San Felipe verkehrten Briggs und Schoner, aber ein Linienschiff, auch wenn es nur ein kleiner 64er war, brauchte mehr Platz zum Manövrieren.
»Ich möchte so bald wie möglich an Land gehen und beim Gouverneur vorsprechen«, sagte Bolitho. »Wir wissen, daß Duncan einen Wortwechsel mit ihm hatte.«
Auf dem Seitendeck sah Bolitho Midshipman Evans am Segelmacher und seinen Gehilfen vorbeihasten; der Junge wandte sich um und starrte zum Achterdeck zurück, dann lief er so schnell er konnte weiter und verschwand im nächsten Niedergang.
»Heute nacht ist wieder einer von den Verwundeten der
Sparrowhawk
gestorben, Sir«, berichtete Keen.
Bolitho nickte. Noch ein Opfer. Die Segelmacher würden es in eine alte Hängematte einnähen, damit es bei Sonnenuntergang bestattet werden konnte.
»Midshipman Evans soll sich bei meinem Sekretär melden«, wies er Keen an. »Die Arbeit für mich wird ihn ablenken.«
Damit wandte er sich um und marschierte auf und ab, bis ihm das Hemd klitschnaß am Leib klebte.
»An Deck!«
Keen blickte in die Takelage auf, mußte aber die Augen vor der grellen Sonne beschatten.
Aus dem Krähennest im Großmast sang der Ausguckposten: »Land in Lee voraus!«
Mit einem Grinsen wandte sich Keen dem Master zu. »Gut gemacht, Mr. Knocker. Wir bleiben auf diesem Bug, bis wir die Hafeneinfahrt anliegen können.«
Knocker grunzte nur; sein hageres Mönchsgesicht verriet weder Genugtuung noch Ärger.
»Ich lasse den Toten während der Hundewache über Bord gehen, Sir.« Quantock konnte sich trotz seiner Größe und Unbeholfenheit manchmal so lautlos bewegen wie eine Katze.
Keen fuhr herum und bemühte sich, die Abneigung gegen seinen Stellvertreter zu unterdrücken.
»Wir werden ihn mit den gebotenen Ehren
bestatten,
Mr. Quantock. Lassen Sie die Freiwache in der Abenddämmerung nach achtern purren.«
Der Leutnant zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie meinen, Sir? Schließlich war er nicht einer von uns.«
Keen sah, wie Yovell den kleinen Midshipman in die Achterkajüte führte, und sagte scharf: »Er war ein Mensch, Mr. Quantock!«
Als die Nacht über die Kimm kroch und das langsam dahinziehende Schiff einzuhüllen begann, erwies die
Achates
ihrem Toten die letzte Ehre.
Bolitho hatte seine Uniform angelegt und stand neben Keen, der im Licht einer Windlaterne einige Sätze aus der Bibel verlas, obwohl er sie wahrscheinlich auswendig kannte. Bolitho sah, daß der Bootsmannsgehilfe, der die Laterne hielt, jener Mann von der alten
Lysander
war, mit dem er Erinnerungen über die Schlacht von Abukir ausgetauscht hatte.
Am nächtlichen Horizont war die Insel bereits verschwunden. Den ganzen Tag war sie langsam über die scharfe, dunkelblaue Kimm gestiegen, hatte an Kontur und Breite zugenommen, als wachse sie ihnen entgegen.
»Machen Sie weiter, Mr. Rooke«, sagte Keen.
Bolitho hörte den Toten von der Gräting rutschen und mit lautem Klatschen neben der Bordwand aufschlagen; von einer Kanonenkugel beschwert, trat er nun seine letzte Reise zum Meeresgrund an.
Ein Schauder überlief Bolitho, und er fühlte wieder den stechenden Schmerz in seiner alten Schenkelwunde.
Ein Seesoldat faltete bereits die Nationalflagge zusammen, die den Toten bedeckt hatte; die
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